Recherche 20. Mai 2019, von Eva Mell

Er sammelt statt Briefmarken alte Bibeln

Bibelausstellung

Das Laufenburger Museum Schiff zeigt über 100 alte deutschsprachige Bibeln, darunter viele Meisterwerke. Die meisten gehören Pfarrer Norbert Plumhof.

Die meisten Menschen glauben fälschlicherweise, Martin Luther sei der Erste gewesen, der die Bibel ins Deutsche übersetzt hat. Wie kommt das?
Norbert Plumhof: Die Auflagen deutscher Bibeln waren vor Luther sehr klein und sehr teuer. Ausserdem waren sie nicht fürs Volk gedacht, sondern für Gelehrte, vor allem für Klöster. Das waren sperrige, schwer verständliche Übersetzungen. Luther war der Erste, der explizit fürs Volk übersetzt hat. Deshalb denkt man bei alten Bibeln eben sofort an die Lutherbibel.

Luther hat zuerst nur das Neue Testament veröffentlicht. Was vielen Menschen aber nicht klar ist: Die Zürcher Bibel erschien fünf Jahre vor seiner Gesamtausgabe.
Ja, das ist ungerecht. Sogar in der Schweiz sind sich viele dessen nicht bewusst. Meinen Konfirmanden sage ich immer, die Schweizer haben’s erfunden, die waren schneller. Vielleicht verbreitet sich das auch durch diese Ausstellung etwas mehr.

Im Laufenburger Museum Schiff sind derzeit rund 120 alte deutschsprachige Bibeln ausgestellt, darunter auch die Zürcher Bibel aus dem Jahr 1531. Die meisten Exemplare stammen aus Ihrem Privatbesitz, richtig?
Ja, über 90 Prozent der ausgestellten Bibeln gehören mir.

Woher kommt diese Leidenschaft für alte Bibeln?
Ich habe generell eine Leidenschaft für das Alte. Ich habe in meinem Leben schon Füller gesammelt, Streichhölzer, römische Münzen oder alte Scheren. Aber all diese Dinge haben mich nur eine begrenzte Zeit lang in ihren Bann gezogen. Mit den Bibeln ist das anders. Doch bei jedem Umzug frage ich mich: Warum sammelst du keine Briefmarken?
 
Wie fing die Bibelsammlung an?
Mit 13 oder 14 Jahren habe ich eine alte Bibel entdeckt, die mich begeistert hat. Das war ein Neues Testament aus dem Jahr 1821. Seitdem kommen ständig weitere Exemplare dazu. Mittlerweile kenne ich im deutschsprachigen Raum so ziemlich jedes Buchauktionshaus. Wenn es aber nach meiner Frau geht, verbringe ich wahrscheinlich viel zu viel Zeit damit.

Und wie teuer ist dieses Hobby?
Die meisten alten Bibeln sind nicht so viel wert, wie die Leute denken. Ausnahme: die ganz alten Bibeln, wenn sie in einem sehr guten Zustand sind. So ein Exemplar kann eine Wertanlage im fünfstelligen Bereich sein. Manche kosten auch deutlich mehr. Sobald das Exemplar aber nicht mehr unversehrt ist oder ein paar Seiten fehlen, verliert die Bibel stark an Wert. Mein Vorteil ist, dass ich die Bibeln selbst restauriere und deshalb gar nicht darauf achten muss, dass sie beim Kauf in einem sehr guten Zustand sind.

Sie sind als lutherischer Pfarrer in den Beruf gestartet, sind nun aber reformierter Pfarrer. Hand aufs Herz: Mögen Sie die Luther-Bibel oder die Zürcher lieber?
Luther gefällt mir schon deshalb, weil ich seine Leistung würdige. Er hat mit seiner Übersetzung die deutsche Sprache enorm geprägt. Ausserdem hat sein Text eine extreme Kontinuität. Die Luther-Bibel ist beinahe unverändert so wie zur Zeit ihrer Entstehung. Wenn  Konfirmanden heute den Psalm 23 nach Luther auswendig lernen, kennen sie denselben Text, den ihre Gross­eltern schon gelernt haben.

Also sind Sie bei der Bibelwahl nach wie vor im Team Luther?
Ich bin natürlich befangen, weil ich mit dieser Bibel aufgewachsen bin. Bei der Zürcher Bibel finde ich aber bewundernswert, dass sich seit der Reformationszeit Tag für Tag Theologen treffen, die die Bibel übersetzen und wieder von vorne anfangen, sobald sie fertig sind. Die Bibel ist dadurch immer aktuell und an vielen Stellen auch sehr stark. Tatsächlich aber arbeite ich als Pfarrer am liebsten weder mit der Luther- noch mit der Zürcher Bibel, sondern mit der Neuen Genfer. Leider sind bisher nur das Neue Testament und der Psalter veröffentlicht.

Was ist das besondere an dieser ganz neuen Übersetzung?
Die Neue Genfer Bibelübersetzung ist sehr gut verständlich. Und die Übersetzer treffen den Sinn des Textes wirklich. Das war übrigens auch Luthers Stärke. Er hat nicht wörtlich, sondern sinngemäss übersetzt, weil er wollte, dass jeder den Text verstehen kann. Das ist ihm zu seiner Zeit gelungen und deshalb hatte er so einen grossen Erfolg. Dasselbe leistet die Neue Genfer Übersetzung heute auch wieder. Wenn sie fertig ist, wird sie unsere Altarbibel.

Warum eigentlich ist Laufenburg der optimale Ausstellungsort für Ihre umfangreiche Sammlung antiker Bibeln?
Die Bibel verbindet. Und Laufenburg verbindet auch. Denn die Stadt ist zweigeteilt, hat eine deutsche und eine Schweizer Seite. Das Museum, in dem die Bibeln zu sehen sind, wird grenzüberschreitend geführt und auch wir Kirchen arbeiten auf beiden Seiten des Rheins eng zusammen. Wir nutzen für die ökumenische Zusammenarbeit immer wieder unterschiedliche Bibeln. Das passt zur Ausstellung.

Was genau erwartet die Besucher neben alten Bibelausgaben?
Wir haben eine Kinderecke und ­eine Schreibwerkstätte, man kann in Bibeln blättern und es gibt eine Druckerpresse, die der von Gutenberg nachempfunden ist, und mit der man auch drucken kann. Ausserdem können die Besucher mit mir gemeinsam eine alte Bibel restaurieren und ich schätze den Wert alter Bibeln, die die Leute bei sich zu Hause finden. Wir wollen so viele Zugänge zur Bibel schaffen wie nur möglich, damit alle etwas davon haben.

Erlesene Exponate

«Als mich Pfarrer Plumhof fragte, ob wir seine alten Bibeln im Museum Schiff ausstellen können, dachte ich zuerst an eine kleine Zwischenausstellung», erinnert sich Hannes Burger, Präsident des Museumsvereins: «Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass wir so viele interessante Exemplare ausstellen können, wie es jetzt der Fall ist.» Doch er liess sich von Plumhofs Sammlung überzeugen. Zu den Exponaten gehören etwa: die Zainerbibel aus dem Jahr 1474/75, die erste mit Illustrationen gedruckte Bibel weltweit, Luthers «Septembertestament» genannte Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Jahr 1522 oder die Zürcher Froschauerbibel.
«Biblia deutsch. Entstehung – Handwerk – Kunst», bis 6.1.2020, Museum Schiff, Fluhgasse 156, Laufenburg, Mi, 14–16 Uhr, Sa, und So, 14–17 Uhr.

Norbert Plumhof, 44

Nach fünfjährigem Wirken im bündnerischen Langwies wechselte Norbert Plumhof 2013 als Pfarrer zur reformierten Kirchgemeinde Laufenburg. Seit seiner Jugend sammelt er alte Bibeln, restauriert sie und präsentiert sie nun Besuchern im Museum Schiff.