Recherche 10. Februar 2023, von Marcel Friedli/Pfarrblatt

Für Paare in Krisen und Menschen am Lebensende

Seelsorge

Mittendrin und am Ende des Lebens: Das verbindet der Theologe und Therapeut Matthias Hügli. Er berät Paare in Krisen. Und steht Menschen bei, wenn sich ihr Leben dem Ende zuneigt.

Antonio hat immer gemacht. Sein Leben lang. Er war ein Macher, ein Schaffer, ein Werker. Mit den Händen. Ein Handwerker.

Jetzt kann er nicht mehr machen. Er ist unheilbar krank, sterbenskrank. Der Krebs wirft ihn auf sich selbst zurück. Was macht er, wenn er nichts mehr machen kann?

Viel denken. Grübeln, sich hintersinnen. Gedankenkarussell ohne Absprung. Und das macht Antonio immer trauriger.

Sich von der Seele reden

Matthias Hügli, Seelsorger beim mobilen Onkologie- und Palliativdienst (MPD) der Spitex Bern, besucht ihn in seinem Zuhause. Dort redet sich Antonio von der Seele, wie nutz- und machtlos er sich fühlt.

Behütet sein am Lebensende

Matthias Hügli war unter anderem im Inselspital als Seelsorger tätig. Er arbeitet bei der von Kirche und Kanton unterstützten Berner Eheberatung in Burgdorf als Therapeut. Zuvor war er Pfarrer im Aargau.

Beim Gleitschirmfliegen tankt Matthias Hügli Kraft für seine beiden Jobs. Im Graubünden aufgewachsen, wohnt er nun in Münchenbuchsee. Der 59-Jährige ist verheiratet, Vater von drei Söhnen und vierfacher Grossvater.

Matthias Hügli deckt beim mobilen Onkologie- und Palliativdienst MPD der Spitex Bern den seelsorgerischen und spirituellen Bereich ab. Angestellt ist der Theologe via Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern (AkiB).

Weitere Informationen: www.akib.ch

Matthias Hügli fragt nach den Kraft- und Energiequellen. Antonio erzählt: von seinem Schrebergarten. Wo er gewerkelt, gebastelt, gegärtnert, gesät und geerntet hat.

Das Gesicht von Antonio glättet sich, seine Stimme wird heller und fester. Matthias Hügli fragt: Ob sich Antonio vorstellen könne, sich in dunklen Stunden in seinen Schrebergarten zu träumen? Und vielleicht ein Foto in der Nähe platzieren, das ihn an seinen magischen Ort erinnert?

Wenn es passt 

«Manche», sagt MPD-Seelsorger Matthias Hügli, «wünschen, dass ich einen Segen spreche. Sie sagen es von sich aus oder ich frage sie danach, wenn es passt.»

Besuche gehören zu den Aufgaben von Matthias Hügli. Ein Teil seiner Tätigkeit als Seelsorger erfolgt per Telefon oder Videotelefon, wie er sagt. «Nähe kann auch auf diesem Weg entstehen. Manche möchten zuhause Besuch erhalten, aber nicht alle.»

Wir wollen eine Lücke füllen und auch für Menschen da sein, die einen losen Bezug zu einer Kirche oder Gemeinschaft haben.
Matthias Hügli, Seelsorger beim mobilen Onkologie- und Palliativdienst der Spitex Bern

Es bleibt meist beim einen Gespräch. Denn das kirchliche Angebot soll nicht konkurrenziert werden – sondern Werbung dafür gemacht werden. Darum weist Matthias Hügli auf die kirchlichen Instanzen hin, wo das Begleiten weitergehen kann. «Wir wollen eine Lücke füllen und auch für Menschen da sein, die einen losen Bezug zu einer Kirche oder Gemeinschaft haben. Und darauf hinweisen, dass es Leute gibt, mit denen man sprechen kann. Ohne Druck, in aller Offenheit. Wir erfragen die Bedürfnisse und respektieren sie.»

Kontakt zu Spitälern ist zentral

Nebst den direkten Kontakten mit Menschen ist der Kontakt mit Pflegenden von Berner Spitälern ein zentrales Wirkungsfeld des Seelsorgers. «Wir treffen uns regelmässig und tauschen uns aus», sagt Matthias Hügli. «So kann ich auf Fragen, Anliegen von Pflegenden eingehen. Aufschnappen, was in der Luft liegt. Und erfahren, wo ein Gespräch angemessen sein könnte.»

Sein Job als MPD-Seelsorger ist ein Projekt, auf drei Jahre befristet. «Wir wollen herausfinden, wo die Bedürfnisse liegen», sagt Matthias Hügli. «So sammeln wir Erfahrungen und justieren das Angebot. Dass es offen ist, wohin es genau geht: Das das mag ich.»

Wenn es kriselt

Die Seelsorge ist die eine Hälfte seiner Tätigkeit – in der übrigen Zeit ist Matthias Hügli als klassischer Therapeut im Einsatz: Er berät Menschen in Ehe-, Beziehungs- und Familienfragen; bei einer kirchlichen Beratungsstelle in Burgdorf. «Ich schätze es sehr, dass sich auch Menschen, die nicht viel verdienen, Hilfe in diesen Fragen leisten können.»