Recherche 02. Mai 2022, von Cornelia Krause

Helferinnen im Schatten des grossen Wunders

Kultur

Ein Film begleitet Hebammen in ihrem Alltag, spricht Tabus der Elternschaft an und zeigt, wie nah Freude und Leid beieinanderliegen.

Kreissaal oder Wohnzimmer, natürliche Geburt oder Kaiserschnitt: Eine Geburt bringt viele Entscheide mit sich, welche im Vorfeld geklärt werden müssen. Die Filmemacherin Leila Kühni hat in ihrer Dokumentation «Hebammen – Auf die Welt kommen» Frauen begleitet, die Paare bei der Entscheidungsfindung zur Seite stehen, im entscheidenden Moment dabei sind und danach die Mütter im Wochenbett unterstützen. Die Idee zum Film kam Kühni während der eigenen Schwangerschaft. Hierzulande würden Schwangere vor allem von Ärzten betreut, sagt Kühni im Gespräch mit «reformiert.». Die meisten Frauen kämen erst bei der Geburt in Kontakt mit einer Hebamme. «Ich wollte mit dem Film zeigen, wie wichtig ihr Begleiten für die Frauen sein kann.»

Mit der Auswahl der Protagonistinnen beweist Kühni Neutralität in der unter Frauen oft hitzig geführten Debatte um «die richtige Geburt». Im Zentrum stehen zwei Hebammen: Die auf Hausgeburten und Klangschalentherapie spezialisierte Helena Bellwald aus Spiez und die eher nüchterne Lucia Mikeler, die am Basler Bethesda-Spital als Beleghebamme arbeitet. «Es war mir wichtig, dass der Film nicht wertet, was die Art der Geburt angeht», sagt die Filmemacherin.

Neutralität als Stärke

Der wertfreie Blick wird zu einer der grossen Qualitäten des Films, obwohl es darin auch um weitere Themen der Elternschaft geht. Denn der Film rührt an zahlreiche Tabufragen: Darf eine Mutter enttäuscht sein, wenn das Kind nicht das ersehnte Geschlecht hat? Ist eine Abtreibung legitim, wenn das Kind sonst schwerst behindert zur Welt kommen würde? Und wie lässt sich ein derartiger Entscheid dann als Familie verkraften?

Die Geschichte eines Paares, das nach so einer Entscheidung erneut Nachwuchs bekommt, gehört zu den berührendsten Sequenzen. Deutlich wird, dass die emotional anspruchsvolle Arbeit Strategien zur Verarbeitung braucht. Bellwald hat ihr eigenes Ritual entwickelt, um mit Totgeburten fertigzuwerden. Sie pflanzt für jedes Kind in ihrem Garten einen Rosenstock. Während Kühni nah und doch mit angemessenem Abstand intime Momente der Geburt begleitet, wird deutlich: Der Lebensbeginn ist ein so grosses Wunder, dass er die Protagonistinnen beinahe schon in den Schatten stellt.

Hebammen – Auf die Welt kommen. Regie: Leila Kühni, 2022. Ab 5. Mai (Internationaler Hebammentag) in Schweizer Kinos.