In welchem Ausmass das Coronavirus in Afrika um sich greifen wird, ist noch ungewiss. Einig sind sich Experten aber schon heute: Die Massnahmen zur Eindämmung der Ansteckungen wie Ausgangssperren und weitere Einschränkungen werden enorme sozio-ökonomische Auswirkungen auf die arme Bevölkerungsschicht haben.
Besonders betroffen ist die Subsahara-Zone, wo rund 86 Prozent der Menschen Jobs nachgehen, die der Staat weder kontrolliert noch registriert. «Strassenarbeiter, Kleinbäuerinnen oder Hausangestellte leben meist von der Hand in den Mund. Ausgangssperren bedeuten für sie kein Geld und somit auch kein Essen auf dem Tisch», sagt Katharina Gfeller, Abteilungsleiterin Internationale Beziehungen bei Mission 21, dem evangelischen Hilfswerk in Basel.
Seifen verteilen
Wegen der Corona-Krise verschiebt Mission 21 derzeit innerhalb einzelner Projekte die finanziellen Mittel. So hat die Organisation etwa die Präventionsarbeit für Hygienemassnahmen im Südwesten von Kamerun verstärkt, wo die Unterdrückung der englischsprachigen Minderheit eine halbe Million Menschen in die Flucht zwang. Diese erhalten nun neben Decken, Zelten, Nahrungsmitteln und Medikamenten auch Seifen und Desinfektionsmittel. Partnerorganisationen bauen in Dörfern Lavabos.
Um die Ansteckung einzudämmen, informieren Pfarrerinnen und Pfarrer von Partnerkirchen über die Massnahmen in ihren Predigten, die sie per SMS und Whatsapp verschicken. Ebenfalls ein Informationskanal sind die kirchlichen TV- und Radiostationen, die auch in Regionen ausgestrahlt werden, die kein Internet haben. «Dank der Verankerung unserer Partnerkirchen in den Gemeinden erreichen wir viele Menschen», sagt Gfeller.
Doch nicht nur Präventionsarbeit sei wichtig. «Wir unterstützen Frauen bei der Herstellung von Seifen und dem Nähen von Masken, um ihnen in der Krise zu Einkommen zu verhelfen», erklärt Gfeller. Während Mission 21 in Kamerun bisher noch arbeiten konnte, laufen in Nigeria die Projekte beschränkt weiter. Die Regierung hat dort die Ausgangssperre verhängt.
Projekte trotz Corona weiterführen
Vom Verbot, die Häuser zu verlassen, sind ebenfalls Projekte des Hilfswerks Evangelischer Kirchen Schweiz (Heks) betroffen. «Deshalb arbeiten unsere Partner vor Ort etwa in Uganda ausschliesslich über digitale Kanäle», sagt Regula Hafner, Heks-Abteilungsleiterin Afrika und Lateinamerika. «Wir setzen gleichzeitig alles daran, die Projekte weiterzuführen, die zur Steigerung des Einkommens oder zur Ernährungssicherheit beitragen.» Länder mit einem schwachen staatlichen Sozialsystem, wie etwa in Niger oder im Kongo, könnten die sozio-ökonomischen Auswirkungen der Pandemie für die Bedürftigsten nicht abfedern, sagt Hafner.
In Äthiopien ergänzt das Heks derzeit das Nothilfeprojekt in der von der Heuschreckenplage heimgesuchten Region Borana mit der Verteilung von Wascheimern, Seife und Desinfektionsmitteln. Zudem hat das Werk eine Informationskampagne lanciert, um der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken. «Wir erkennen erste Resultate: Die Menschen schütteln sich weniger die Hände», sagt Boru Jarso, Heks-Kontaktperson in Äthiopien.
Für die Präventionsmassnahmen stimmt sich das Heks in Äthiopien und den anderen Ländern mit den Regierungen ab und orientiert sich an internationalen Standards. Heks koordiniert seine Massnahmen zudem mit anderen Mitgliedern des internationalen Netzwerks Act Alliance kirchlicher Hilfswerke, um etwa die Menschen über die Kirchen besser zu erreichen.
Schulden erlassen
Solidarität zu zeigen, sei gerade jetzt wichtig, findet die Heks-Mitarbeiterin Regula Hafner: «Es könnte schwieriger werden, Spenden fürs Ausland zu sammeln, da die Schweizer Bevölkerung mit den Nöten hierzulande konfrontiert ist.» Auch die katholische Ordensschwester Nathalie Kangaji ruft zu solidarischem Handeln auf. Sie war der letztjährige Gast der ökumenischen Fastenkampagne und lebt in Kinshasa. In der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo leben zehn Millionen Menschen. Zur Zeit ist eine von 24 Gemeinden der Stadt abgesperrt, nachdem im März ein Bewohner nach seiner Rückkehr aus Europa an Corona starb.
«Wenn sich die afrikanischen Länder mit den bereits versprochenen Überbrückungskrediten und Hilfsgeldern für die Corona-Krise weiter verschulden, wird die arme Bevölkerung immer ärmer», hält Sœur Nathalie fest. Deshalb sollten den armen Ländern Afrikas die Schulden erlassen werden, wie dies der französische Präsident Macron, Papst Franziskus und über 200 Organisationen der Zivilgesellschaft forderten.