«Wir befinden uns im Krieg», sagt Harutyun Harutyunyan zu «reformiert.» am Telefon. Der in Jerewan lebende Theologe arbeitet als selbständiger Berater und Projektentwickler bei der Syunik-Development NGO und der Diözese der Armenischen Apostolischen Kirche in Vayots Dzor, Armenien. «Wir spenden Blut, sammeln Hilfspakete für Zivilisten und Soldaten in Bergkarabach.» Lebensmittel, Medikamente, Hygieneartikel und Spielzeug für Kinder. Freunde Harutyunyans sind als Seelsorger vor Ort im Einsatz und bringen Kinder, die sich vor den Bunkern fürchten, nach Jerewan, wo sie von Gastfamilien aufgenommen würden.
Politiker fordern Waffenruhe
Neun Tage nach Beginn der heftigen Kämpfe um Bergkarabach im Südkaukasus spitzt sich der Konflikt weiter zu. Armenien und Aserbaidschan beschuldigten sich gegenseitig, gezielt Zivilbevölkerung und Infrastruktur unter Beschuss zu nehmen. Das armenische Aussenministerium warf den aserbaidschanischen Truppen vor, bei Angriffen «bewusst die Zivilbevölkerung anzugreifen». Der aserbaidschanische Präsidentschaftsberater Hikmet Hadschijew twitterte am Sonntagabend, armenische Streitkräfte hätten Raketenangriffe gegen «aserbaidschanische Zivilisten und zivile Infrastruktur» geflogen.
Zuvor hatte sich Armenien zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Aserbaidschan bereit erklärt. Armenien stehe für Gespräche über eine Waffenruhe innerhalb der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OSZE) zur Verfügung, teilte das armenische Aussenministerium in der Hauptstadt Jerewan mit. Derweil forderte die aserbeidschanische Regierung Armenien auf, alle Truppen aus der umkämpften Region abzuziehen. «Wenn Armenien ein Ende dieser Eskalation will, muss es die Besatzung beenden», sagte der aussenpolitische Berater von Präsident Ilham Alijew, Hikmet Hadschijew.
In einer gemeinsamen Erklärung von letzter Woche hatten die Präsidenten Russlands, der USA und Frankreichs die militärische Gewalt in der Kaukasusregion verurteilt. Sie forderten Armenien und Aserbaidschan dazu auf, die Kämpfe sofort einzustellen und eine Waffenruhe einzuhalten. Zudem sollten die beiden Länder diplomatische Verhandlungen unter Vermittlung der OSZE aufnehmen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Der seit Jahren schwelende Konflikt um Bergkarabach mit seinen etwa 150’000 Einwohnern war am 27. September wieder in Gewalt umgeschlagen. Nach armenischen Angaben sind mehr als 200 Menschen getötet worden. Aserbaidschan zählte zuletzt nach eigenen Angaben 19 tote Zivilisten und 60 Verletzte. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan hatten in den ersten Tagen der Auseinandersetzung das Kriegsrecht verhängt. Die Nachbarstaaten machten sich gegenseitig für die Eskalation verantwortlich.