Kirchenratspräsident Michel Müller tritt nicht mehr an

Kirchenrat

Michel Müller zieht sich zurück. Zwölf Jahre war der Pfarrer Kirchenratspräsident der reformierten Zürcher Landeskirche. Im Rennen ums Präsidium bleiben zwei Frauen.

Michel Müller steht für eine neue Amtsdauer als Kirchenratspräsident nicht mehr zur Verfügung. Seit 2011 war der Pfarrer vollamtlich im Präsidium der Exekutive der reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Im Januar hatte er angekündigt, nochmals zu kandidieren. Damit zerstreute er Rücktrittsgerüchte. Allerdings wollte Müller nur zwei Jahre bleiben, um «einen geordneten Übergang» zu garantieren.

Er begründete seine erneute Kandidatur damals insbesondere damit, dass seine Erfahrungen und sein Beziehungsnetz für die anstehenden Verhandlungen mit dem Staat hinsichtlich der nächsten sechsjährigen Phase bei den Staatsbeiträgen von Nutzen sein würden. Auch das Reformprojekt «Vision 2050» wollte er noch aufgleisen.

«Kirche in guter Verfassung»

Zwischenzeitlich hätten sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert, so dass er seine Kandidatur nun zurückziehen könne, heisst es in der Medienmitteilung. «Die Landeskirche ist mit gut ausgebauten und neu formierten Gesamtkirchlichen Diensten mit ihren vielen hochqualifizierten und motivierten Mitarbeitenden in guter Verfassung.» Die Finanzen seien im Lot und ermöglichten Innovationen und eine zukunftsgerichtete Personalpolitik. Die Kirchgemeinden hätten sich laut Müller auf vielfältige Weise auf die Zukunft ausgerichtet, namentlich könne der Strukturreformprozess Kirchgemeinde-Plus nun in eine Innovationsphase überführt werden. Auch Nachwuchsmassnahmen für die Pfarrschaft seien eingeleitet.

Hinsichtlich der Wahlen im November sagt Müller: «Es stehen zwei qualifizierte Kandidatinnen fürs Präsidium zur Verfügung, die auf einer guten Basis weiterarbeiten können.» Es sind dies die Pfarrerin und bisherige Kirchenrätin Esther Straub und die Pfarrerin und Privatdozentin für Praktische Theologie Sabrina Müller. Esther Straub ist Mitglied der Religiös-sozialen Fraktion, Sabrina Müller wurde von der Liberalen Fraktion nominiert, die nach den Wahlen im Frühling zur grössten Fraktion in der Synode aufgestiegen ist. Der Synodalverein, dem Michel Müller angehört, musste die grössten Verluste hinnehmen und ist noch hinter die Religiös-sozialen zurückgefallen.

Die Ausgangslage der Kirchenratswahlen

Zweitgrösste Fraktion in der Synode ist neu die Evangelisch-kirchliche Fraktion (EKF). Der pietistische Flügel der Landeskirche ist aktuell nur mit Bruno Kleeb im Kirchenrat vertreten, der erneut zur Wahl antritt. Mit der Kandidatur von Pfarrer Franco Sorbara erhebt Anspruch die EKF auf einen zweiten Sitz.

Hinzu kommen die Kandidaturen der Bisherigen Margit Hugentobler (Synodalverein) und Katharina Kull (Liberale). Die RSF will den Sitz von Bernhard Egg, der seinen Rückzug angekündigt hat, mit Eva Schwendimann verteidigen. Obwohl ihn die Liberale Fraktion nicht mehr nominiert und ihm Sabrina Müller vorgezogen hat, kandidiert auch Pfarrer Andrea Bianca wieder. Er sitzt seit 16 Jahren im Kirchenrat und will in Zukunft fraktionslos agieren. 

Esther Straub und Sabrina Müller treten nur bei den Präsidiumswahlen an. Werden sie nicht gewählt, stehen sie für den Kirchenrat nicht zur Verfügung. Ob Bianca von dieser Ausgangslage profitieren kann, ist ungewiss. Bisher waren mit den Religiös-Sozialen, den Liberalen und dem Synodalverein die drei grössten Fraktionen mit einer Pfarrperson und damit mit einer theologischen Stimme vertreten. Jedenfalls hängt viel davon ab, wie sich die Fraktionen der Kandidatinnen für das Präsidium bei einer Niederlage verhalten und ob sie bereits einen Theologen oder eine Theologin für eine mögliche Vakanz quasi auf der Ersatzbank Platz nehmen lassen. (fmr)

Seine Entscheidung, nicht mehr anzutreten, habe aber nicht primär mit den neuen Kräfteverhältnissen in der Synode zu tun, da Kirchenratswahlen auch Persönlichkeitswahlen seien, sagt Müller auf Nachfrage von «reformiert.» Er habe aber auch gemerkt, dass sein Angebot, eine halbe Amtszeit anzuhängen, von der Synode nicht nur mit Begeisterung aufgenommen worden sei.

Strukturreform und Ehe für alle

Michel Müller selbst wird zu seinen beruflichen Ursprüngen zurückkehren und in ein Pfarramt im Kanton Luzern wechseln, wo seine Partnerin wohnt. «Ich freue mich auf die seelsorgerliche Tätigkeit und die lebensnahe Auslegung der biblischen Botschaft im regelmässigen Predigtdienst», sagt er.

Die Amtszeit von Michel Müller war insbesondere von der Strukturreform Kirchgemeinde-Plus geprägt. Zahlreiche Kirchgemeinden haben inzwischen fusioniert, allerdings hat der Kirchenrat seine ambitionierten Ziele auch zurückgenommen. Zudem wurden die Gesamtkirchlichen Dienste reorganisiert, und die Teilrevision der Kirchenordnung fand bei der Volksabstimmung eine deutliche Mehrheit.

Stark engagiert hat sich Müller für die Ehe für alle sowie Traugottesdienste für homosexuelle Paare. Zuletzt kritisierte er in der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) den Ökumenischen Rat der Kirchen scharf. Diesem warf Müller mangelnde Abgrenzung von der russisch-orthodoxen Kirche vor, die Wladimir Putins Angriffskrieg gerechtfertigt und unterstützt hat.