Letzte Ruhe unter dem Regenbogen

Gesellschaft

Auf dem Friedhof Sihlfeld entsteht ein neues Themengrabfeld für queere Menschen. Dafür eingesetzt hat sich auch die reformierte Regenbogen-Pfarrerin Priscilla Schwendimann.

Noch ist das Feld karg und braun, eingezäunt mit einem Absperrband. Aber schon diesen Spätsommer werden auf den etwa 20 Quadratmetern Erde bunte Staudenbeete in sämtlichen Regenbogenfarben blühen. Auf dem Friedhof Sihlfeld, dem grössten Friedhof der Stadt Zürich, entsteht eine erste Ruhestätte mit Schwerpunkt queere Menschen. Priscilla Schwendimann hat das Projekt von Anfang an ideell begleitet und unterstützt.

Die reformierte Pfarrerin der Mosaic Church in Zürich wirkt nachdenklich an diesem schönen Sommertag. Die Frage, ob ein Themengrabfeld für queere Menschen nicht eine Separierung, eine neue Form der Diskriminierung bedeute, wurde ihr in den letzten Tagen immer wieder gestellt. Zudem musste sie viele negative Online-Kommentare, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung erschienen sind, verdauen. «Dabei geht es doch überhaupt nicht um Abgrenzung», sagt sie, die selbst in einer lesbischen Beziehung lebt. Denn das Themengrabfeld ist nicht exklusiv für queere Menschen vorgesehen. Nur schon rechtlich wäre dies gar nicht möglich. Hierzulande ist es nämlich nicht erlaubt, für einzelne Interessengruppen ein separates Grabfeld bereitzustellen. Vielmehr stehe der neue Begegnungsort allen offen, «die sich mit dem Regenbogen als Symbol für Toleranz und Freiheit identifizieren können», betont Schwendimann.

Geschützt trauern

Am Anfang des Projekts «Regenbogen-Ruhe» stand der Wunsch, dass queere Menschen umgeben von ihrer Community sicher um einen geliebten Menschen trauern können. Ähnliche Biografien treffen aufeinander, unterstützen sich vielleicht gegenseitig. Gerade aus reformierter Perspektive hat Schwendimann hierfür Verständnis: «Bei einer Abdankung und auch am Grab steht nicht per se der Verstorbene im Vordergrund, sondern die Hinterbliebenen, die Trost brauchen.»

Vorerst werden auf dem Friedhof Sihlfeld 30 Gräber für Urnenbeisetzungen errichtet. Bei grosser Nachfrage kann das Grabfeld auf 110 Plätze erweitert werden. Ein Grab kostet für Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher 2000 und für Auswärtige 2500 Franken. Es kann zu Lebzeiten reserviert werden und ist auf 20 Jahre zugesichert, auf Wunsch auch länger. Das Angebot sei wichtig, betont Schwendimann. Noch immer gehe die Gesellschaft von einem klassischen Familienbild aus. In der queeren Gemeinschaft hingegen hätten die Menschen ihre Wahlfamilien. «Wir wollen füreinander da sein, um im Alter nicht zu vereinsamen», erklärt die Pfarrerin. Die Verbundenheit reiche über den Tod hinaus, wie das Bedürfnis nach einem solchen Begegnungsort zeige. In der Schweiz gibt es ja keine Friedhofspflicht. «Aschen können zum Beispiel in der Natur verstreut oder zu einem Diamanten verarbeitet werden», sagt Schwendimann.

Christlich bestatten

Weil sich im Zusammenhang mit Alter und Tod sehr viele existenzielle Fragen stellen, wurde der Verein «QueerAltern» gegründet. Die Präsidentin Barbara Bosshard hat das Themengrabfeld-Projekt initiiert. Aber auch Schwendimann als erste Regenbogen-Pfarrerin in der Schweiz ist für Anliegen rund um Altern und Tod zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. «Zahlreiche Queers, die jetzt ins Alter kommen, in dem der Tod für sie allmählich relevant wird, haben negative Erfahrungen gemacht mit der Kirche.» Sie seien froh, dass es seit zwei Jahren das LGBT-Pfarramt gibt. Einige wünschen sich gar wieder eine christliche Bestattung, was doch eine erfreuliche Entwicklung sei. «Gott liebt alle Menschen», sagt die Theologin, während ihr Blick über die Weite des Friedhofsgeländes schweift.