Damit auf dem Mist Blumen wachsen

Entwicklungsarbeit

Auch nach seiner Pensionierung reist Lothar Seethaler oft nach Afrika – auf eigene Kosten. Mit dem Ziel, zu helfen, wo es möglich ist.

Vielleicht liegt es an seinem jungenhaften Gesicht, den geschmeidigen Bewegungen oder der heiteren Stimme. Lothar Seethaler strahlt jedenfalls Hoffnung und Tatendrang aus. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet der Ethnologe in der Entwicklungszusammenarbeit: während des Studiums bei Bauern in Thailand, danach beim Hilfswerk Fastenopfer, später bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Deza, in Ländern Asiens und Afrikas.

Endlich kann ich arbeiten, wie ich will, nah bei den Menschen, weniger marktorientiert.

Wenn Seethaler vom Schmerz vergewaltigter Frauen im Osten der Demokratischen Republik Kongo erzählt, oder von der Wut und Einsamkeit kriegstraumatisierter Männer, ist sein Mitgefühl spürbar. Doch er bleibt pragmatisch. Er will handeln und stellt immer sogleich die Frage: Was können wir gemeinsam tun angesichts dieses Elends?

Unermüdlich im Einsatz

So reist Lothar Seethaler auch zwei Jahre nach seiner Pensionierung, nun auf eigene Kosten, nach Benin und in die Demokratische Republik Kongo. Ehrenamtlich begleitet er lokale Hilfswerke, die mit Solidaritätsgruppen besonders vulnerabler Menschen zusammenarbeiten.

Er ist zudem Präsident von Pont Universel, einer NGO in Freiburg. Und er unterstützt private Initiativen mit Coachings und bei der Suche nach finanziellen Mitteln.«Endlich kann ich arbeiten, wie ich will», sagt Seethaler. «Nah bei den Menschen, weniger marktorientiert.»

Lothar Seethaler engagiert sich unter anderem bei der Nonprofit-Organisation Ramalevina.

Vor Kurzem schloss der 67-Jährige eine Ausbildung als Trauma-Therapeut ab. Seither fliessen die neusten Erkenntnisse darüber, was Menschen brauchen, die psychische und körperliche Gewalt erlebt haben, in seine Arbeit mit den Solidaritätsgruppen ein.

«Das Wichtigste ist, dass sie sich in einer Gruppe aufgehoben und einigermassen sicher fühlen», weiss Seethaler. Dadurch würden der Körper und die Seele entspannen, und die Verletzungen könnten, je nachdem mit zusätzlicher Unterstützung, heilen. Natürlich sei auch eine stabile materielle Situation wichtig.

Solange ihre Kinder jeden zweiten Abend hungrig ins Bett gehen, kann es den traumatisierten Frauen nicht wirklich besser gehen.

«Solange ihre Kinder jeden zweiten Abend hungrig ins Bett gehen, kann es den traumatisierten Frauen nicht wirklich besser gehen.» Deshalb würden sie in den Solidaritätsgruppen immer auf beiden Ebenen arbeiten, der emotionalen und der praktischen. «So findet echte Transformation statt, auch auf spiritueller Ebene», ist er überzeugt.

Fanny, die grosse Liebe

Lothar Seethaler spricht viel und gern über seine Arbeit. Dabei gibt es noch mehr, was den gebürtigen Berner ausmacht. Seine beiden Söhne, mit denen er einen nahen Kontakt pflegt. Die Liebe zur Natur, die täglichen Spaziergänge, Wanderungen und Schneeschuhtouren.

Und Fanny, seine Ehefrau. Vor 13 Jahren lernten sich die beiden im Kongo kennen. Seethaler arbeitete viel und suchte eigentlich keine neue Beziehung. «Doch dann kam Fanny», sagt der sonst so eloquente Entwicklungshelfer etwas verlegen und muss nach den richtigen Worten suchen. «Die Begegnung mit ihr war wunderbar. Und ich konnte einfach nicht anders, als mich von ihrer war-men Ausstrahlung verzaubern zu lassen», erzählt Seethaler.

Pia Gyger, Heilpädagogin, Psychologin, Kontemplationslehrerin und Zen-Meisterin. Sie war Mitgründerin des Lassalle-Instituts innerhalb des Lassalle-Hauses in Bad Schönbrunn, der Glassmann-Lassalle Zenlinie Schweiz und der internationalen Kontemplationsschule Via Integralis.

Nun leben sie als Familie in Freiburg, und Fanny arbeitet als Betreuerin von Kleinkindern. «Sie gibt den Kindern sehr viel Liebe, obwohl sie selber im Leben oft gelitten hat», schwärmt er. Sie beweise, dass Verletzungen in Charisma verwandelt werden könnten.

Lothar Seethaler ist geprägt von der Lehre der Ordensfrau und Zen-Meisterin Pia Gyger. Sie war davon überzeugt, dass durch die Heilung der Kernverletzungen Charisma, enorme Kräfte und Potenzial freigesetzt würden. Oder wie Seethaler es in einem prägnanten Bild zusammenfasst: «Die Menschen pflanzen auf dem Mist, der ihr Leben zu bestimmen schien, einen Blumengarten.» Damit könnten sie der Gesellschaft viel zurückgeben. Und da ist sie wieder, diese Hoffnung, die ihn antreibt.