Recherche 10. März 2020, von Constanze Broelemann

Basler Stararchitekten bauen erste Autobahnkirche

Architektur

Wenn alles gut geht, hat die Schweiz bald ihre erste Autobahnkirche. Stehen wird sie in Graubünden an der Autobahn Richtung Süden. Das Geld für die Kirche soll aus Spenden kommen.

Jacques Herzog, 69

Gemeinsam mit Pierre de Meuron führt der gebürtige Basler das Architekturbüro Herzog & De Meuron. Eines ihrer kürzlich abgeschlossenen Projekte ist der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg. Eine Kirche haben die Basler Architekten noch nie ge-baut und Jacques Herzog sieht in dem Projekt Autobahnkirche eine der «grössten Herausforderungen, die er momentan als Architekt hat.»  

In Andeer wollen Sie die erste ­Autobahnkirche der Schweiz ­bauen. Ihr Büro wurde angefragt, das Vorprojekt zu realisieren. Wie haben Sie reagiert?
Jacques Herzog: Überrascht und mit Freude. Wir konnten bisher nie ­eine Kirche bauen. Aber wir haben seit Jahren ein Projekt in Arbeit für eine grosse Kathedrale in Mexiko. Eine fantastische Aufgabe, weil sie mitten in einer vom Drogenkrieg versehrten Stadt einen Ort anbietet, der nicht nur religiöse, sondern auch soziale, pädagogische und kulturelle Aufgaben übernimmt, wie die Klöster im Mittelalter.
 
Warum wollen Sie eine neue Kirche bauen, wenn bestehende Kirchen umgenutzt werden müssen?  
Autobahnkirchen werden überraschend stark genutzt. Das ist dank der überall aufliegenden Anliegebüchern belegt. Es ist wie mit vielen ehemaligen Tankstellen entlang der Kantonsstrasse. Sie stehen heute am falschen Ort, denn die Verkehrsströme haben sich auf die Autobahnen verlagert. So haben sich auch die Bedürfnisse in Bezug auf die Kirchen gewandelt. Anders als auf Reisen fehlt im Alltag oft die Zeit für Stille und Andacht. Wir ­bauen deshalb eine Autobahnkirche an der A13, dort, wo die Menschen unterwegs sind und sich einen Ort der Ruhe und des Gebets wünschen.

Wie wird diese Kirche aussehen?
Es gab keine Vorbilder für so ein Projekt, wir wollten es ganz aus dem Ort heraus entwickeln. Wir vermieden bewusst, irgendwelche Vorbilder herzunehmen. Die historischen Kapellen und Kirchen kann man nicht kopieren. Sie sind in ihrer Art perfekt. Wir werden vielleicht auch Holz und Verputz und Farbe verwenden, aber das ist noch nicht so klar – wahrscheinlicher ist es, dass auch noch ganz andere Materialien zum Einsatz kommen werden.

Gibt es etwas, das für Sie als Architekt besonders herausfordernd ist beim Bau einer Kirche?
Ja, sehr schwierig ist es, einen Ort zu schaffen, der uns alle berührt, ohne uns mit offensichtlich erkennbaren religiösen Zeichen zu überrumpeln.

Wo genau soll die Kirche stehen?  
Andeer hat eine grosse Tradition als Transit- und Säumerstation und liegt zwischen den beiden Schluchten Viamala und Roffla. Das Val Schons ist seit jeher Standort von Wegkirchen. Das Dorf eignet sich deshalb sehr gut für eine neue Wegkirche. Der vorgesehene Standort ist unmittelbar neben ­einer Brücke über die A13. Etwas ausserhalb des Dorfes mit schönem Blick über das Dorf und ins Tal. Die Parzelle, die wir für die Kirche vorgesehen haben, ist im öffentlichen Besitz und kein hochwertiges Kulturland.

Was meinen Sie, kann die Autobahnkirche im Val Schons für eine Aufgabe haben?
An den grossen Verkehrsknoten wie Bahnhöfen oder Flughäfen gehören Gebetsräume seit Langem zur Grund-
ausstattung. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass entlang der Autobahnen das gleiche Bedürfnis besteht. Gemeindekirchen bieten hier nicht immer die Möglichkeit zur persönlichen Andacht. Sie sind nicht selten kompliziert zu erreichen. Zudem für Aussenstehende nicht als immer geöffnet erkennbar. Autobahnkirchen stehen hier für verlässliche Öffnungs-
zeiten, dezente Anonymität für das persönliche Gebet und für eine einfache Erreichbarkeit.

Was sollen die Menschen in der von Ihnen gebauten Kirche finden oder erfahren können?
Stille, Gebet, Achtsamkeit – Die Kapelle ist als eine räumliche Sequenz aus verschiedenen Orten. Mit unterschiedlichem Licht, akustischen und visuellen Reizen. Wahrnehmung ist ein leitendes Motiv sowohl des Raums als auch von sich selbst.

Es handelt sich um eine Kirche. Wird es ein Kreuz geben?
Das Kreuz ist ein ewiges und sehr starkes Symbol. Wir werden bestimmt einen geeigneten Ort finden für ein Kreuz. Es freut uns, dass die Kirche ökumenisch getragen ist.