Recherche 15. Februar 2016, von Matthias Böhni

Politik im Talar: Diskussions-Stoff in der Kirche

Politik

In Zürich haben Pfarrer im Talar Flyer gegen die Durchsetzungsinitiative verteilt. Passt das zusammen? In den Landeskirchen sind die Meinungen geteilt.

Während noch vor kurzem etliche Pfarrpersonen den Talar als Symbol patriarchaler Herrschaft ablehnten (und teilweise immer noch ablehnen), ziehen heute die Pfarrerinnen die reformierte Amtskleidung vermehrt an – auch ganz bewusst ausserhalb eines Gottesdienstes. So haben am letzten Mittwoch Pfarrerinnen im Zürcher Hauptbahnhof Flyer gegen die Durchsetzungsinitiative verteilt.

Thurgau: Problematisch. Öffentlich politisieren im Talar – geht das? Der Thurgauer Kirchenratspräsident Wilfried Bührer und der Aktuar der Kirche, Ernst Ritzi, erachten es als problematisch, wenn «in nicht gottesdienstlichen Zusammenhängen der Talar dazu benutzt wird, um dem eigenen politischen Statement zusätzliches Gewicht zu geben». Denn die Benutzung des Talars habe in der Schweiz nur in gottesdienstlichem Zusammenhang Tradition und werde darum von der Bevölkerung automatisch in einen sakralen Kontext gestellt.

«Die Verwendung des Talars mit dem einzigen Ziel, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder der Medien zu steigern, empfinden wir als Missbrauch», sagen Bührer und Ritzi. Als problematisch erachten sie zudem, «wenn eindeutige politische Stellungnahmen in einer monologisch ausgelegten Predigt vorkommen und dem Gottesdienstbesucher keine Möglichkeit einer adäquaten Reaktion lassen».

Zur Aktion im Zürcher HB wollten Bührer und Ritzi nicht Stellung nehmen, weil sie sie zu wenig kennen. Es scheint aber, dass die Aktion aus ihrer Optik vermutlich im Bereich «problematisch» anzusiedeln wäre, da ein «gottesdienstlicher Zusammenhang» nicht erkennbar ist.

Bern: Denkbar. Bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn wäre indessen eine Aktion wie im Zürcher Hauptbahnhof denkbar. Gemäss des Informationsbeauftragen Hans Martin Schaer bestehe theologisch und juristisch kein Hinderungsgrund. Er erinnert daran, dass bereits vor einem Jahr Pfarrpersonen im Talar an einer politischen Demonstration teilnahmen, die sich gegen Sparpläne des Grossen Rats bei den Beiträgen an die Landeskirchen wendete.

Schaer verweist auf die «Dienstanweisung für Pfarrerinnen und Pfarrer». Dort stehe, dass die Pfarrpersonen immer auch als Vertreter der Kirche wahrgenommen würden. Sie hätten deshalb Höflichkeit, Respekt, Wertschätzung, Geduld und Umsicht zu wahren. «Wenn das der Fall ist, wäre auch eine Stellungnahme für die Durchsetzungsinitiative im Talar denkbar», sagt Schaer.

Zürich: Abklärung. Und was sagt man in Zürich, wo besagte Verteilaktion stattgefunden hat? Gemäss Nicolas Mori, Sprecher der Zürcher Landeskirche, äussert sich die Kirchenordnung nicht zum Talartragen, und eine Talarverordnung gebe es bislang auch nicht. Die Kirchenleitung will nun aber aufgrund der Flyer-Aktion klären, ob es Regeln zum Tragen des Talars brauche. «Damit wir intern wissen, wie wir uns zum Thema stellen.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «ref.ch» und «Interkantonaler Kirchenbote».

Kirchliche Kundgebung gegen die Durchsetzungsinitiative

Am Mittwoch, 17. Februar, 17.30 Uhr, findet auf dem Berner Bärenplatz eine Kundgebung gegen die Durchsetzungsinitiative statt. Sie wird organisiert von der der katholischen Kirche Region Bern, der OeME-Kommission der reformierten Landeskirche und der Offenen Kirche Heiliggeist in Bern.