Wie kamen Sie auf die Idee, ein Bibel-Leseseminar auszuschreiben?
Ulf Becker: Eine Frau aus dem Kirchenvorstand ermutigte mich, nachdem sie gesehen hatte, wie ich Schülern die Bibel erkläre. Ihr gefiel mein Stil und sie meinte, ich müsse dieses Angebot unbedingt einer grösseren Öffentlichkeit zugänglich machen.
Warum wird die Bibel heute nur noch selten zur Hand genommen?
Die Bibel an sich ist unverdaulich. Sie ist wie ein Lexikon oder Telefonbuch. Man schaut sich einzelne Stellen an, liest sie aber nicht von vorne bis hinten durch und hat dann alles verstanden. Sie ist kein Roman. Das sind 1200 Seiten heftige Kost. Manchmal kommt man vorwärts, manchmal nicht, manchmal überblättert man ein paar Seiten und macht an einer anderen Stelle weiter. Es geht darum, einen Anfang zu wagen, damit die Bibel nicht irgendwann im Altpapier landet.
Liegt das Desinteresse vielleicht auch daran, dass manche Bibelstellen dem Zeitgeist widersprechen?
Die Bibel wird häufig mit Stellen in Verbindung gebracht, die provozieren, etwa die Stellung der Frau oder die «richtige» Art von Sexualität. Diese Geschichten sind aber nur ein ganz, ganz kleiner Teil. Es gibt noch viele andere spannende Geschichten in der Bibel, die völlig unbekannt und aus dem prallen Leben gegriffen sind.
Zum Beispiel?
Mir sind die Psalmen je länger je mehr ans Herz gewachsen. Da ist Lebenserfahrung dahinter, da sprechen Menschen, die etwas mit Gott erlebt haben, denen er geholfen hat. Im gesamten Alten Testament menschelt es. Es geht um den Umgang miteinander, um Streitigkeiten und Versöhnung, um Scheitern und Aufstehen.
Die Bibel ist also aktueller denn je?
Genau. Die Bibel ist vergleichbar mit den Zeitungen, die man beim Zahnarzt oder dem Friseur liest, wo das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen drin ist.
Was ist Ihre Empfehlung, um ins Bibellesen reinzukommen?
Man muss eine Bibel finden, die man gerne in die Hand nimmt. Die Bibel ist wie ein Kleidungsstück. Was wir nicht gerne anziehen, bleibt im Schrank oder wird weggeworfen. In meinem Kurs stelle ich eine Auswahl Bibeln zur Verfügung, die ich die Menschen anfassen lasse. Das Papier muss stimmen, die Schriftgrösse, die Aufteilung, die Sprache.