Wenn der tierische Freund im Alltag plötzlich fehlt

Rituale

Die Kirche hat ein tieferes Verständnis für die Trauer um Tiere entwickelt. Sie bietet spezielle Trauergottesdienste, Abschiedsrituale und seelsorgerische Begleitung an.

Tiere sind oft untrennbar mit den Lebensgeschichten von Menschen verbunden. Sterben sie, bleiben Leere und Trauer zurück. Das Trauern um Haustiere wurde in der Vergangenheit nicht richtig ernst genommen. Mittlerweile wird von der Gesellschaft viel eher akzeptiert, dass der Verlust eines Tiers echtes Leid verursachen kann.

Im Prozess der Trauerbegleitung um Tiere nimmt auch die Kirche eine immer aktivere Rolle ein. Schon seit einigen Jahren finden in Zusammenarbeit mit dem ökumenisch organisierten Verein Akut, dem Arbeitskreis Kirche und Tiere, speziell gestaltete Abschiedsfeiern statt, zuletzt am 19. November in der Citykirche Offener St. Jakob. Ferner haben Tierbesitzer mancherorts die Möglichkeit, ihre Haustiere bestatten zu lassen mit individuellen Bestattungsritualen, wie etwa auf dem Friedhof Nordheim in Zürich.

Zurück bleiben die Haare

Manche Betroffene wünschen sich darüber hinaus seelsorgerische Begleitung. Für sie hat Akut einen sogenannten Seelsorgebriefkasten ins Leben gerufen, der ehrenamtlich von Reto Studer, reformierter Pfarrer in der Kirchgemeinde Kelleramt im Aargau, betreut wird. Dabei handelt es sich um die erste institutionalisierte Anlaufstelle für Leute, die um ihre Tiere trauern.

Zwei- bis dreimal im Monat wird Studer per E-Mail oder Telefon kontaktiert, meistens geht es um Hunde oder Katzen. Seine Unterstützung gleicht der Trauerbegleitung beim Verlust eines Menschen. «Hier gibt es keine Einschränkungen in Bezug auf die Intensität der Trauer», sagt er. Manchmal bleibt es bei einem Telefonat, es kommt aber vor, dass sich die Begleitung Wochen oder auch Monate hinzieht, wie bei der Frau, die ihren Schäferhund bei einem Unfall verloren hatte und in ein tiefes Loch gefallen war.

«Plötzlich fallen die Spaziergänge und damit auch viele soziale Kontakte weg.» Die Anwesenheit des Tieres im Haushalt fehle überall. Zurück bleibt etwa die Leine, die noch am Haken hängt. Oder die Haare auf dem Sofa. Pfarrer Studer hat ein offenes Ohr, auch dann, wenn das Umfeld nach einer gewissen Zeit die Geduld verliert. Auch jetzt noch werde allzu schnell gesagt, es sei doch «nur» ein Tier gewesen, dieses könne auch ersetzt werden. «Der Alltag geht für die Umgebung weiter, während der Trauernde noch dabei ist, einen neuen Alltag zu finden.» Einige Betroffene erzählen Studer die gesamte Lebensgeschichte des Tieres, manchmal begleitet von Fotos und detaillierten Erinnerungen.

Der richtige Zeitpunkt

Immer wieder spielen auch Fragen nach dem Glauben eine Rolle, besonders wenn es darum geht, schwierige Entscheidungen zu treffen. «Menschen, die ihre Tiere einschläfern lassen müssen, stehen vor der Herausforderung, wann dafür der richtige Zeitpunkt ist, was oft von Unsicherheiten begleitet ist.» Nötig sei eine aktive Handlung, einen Tierarzt aufzusuchen, und sie müssten einen Auftrag erteilen.

Davon berichtet eine Frau, die ihren 18-jährigen, todkranken Kater einschläfern musste. In der Praxis sprang das Tier unvermittelt auf ihren Schoss und schmiegte sich an sie, just als die Tierärztin den Raum kurz verliess, um die Spritze zu holen. Seitdem quält die Frau sich mit der Frage, ob sie ihren Kater vielleicht noch einmal mit nach Hause hätte nehmen sollen.

«Es ist wichtig, sich dieser Gefühle anzunehmen und ihnen Raum zu geben», betont Reto Studer, der seit 2015 im Vorstand von Akut ist. Er hat selbst einen Hund – diesen bezeichnet er als «ein vollwertiges Familienmitglied». Für ihn persönlich sei es bereichernd, wenn Menschen erkennen, dass es in Ordnung ist, um ein Tier zu trauern. Die Hoffnung für die verstorbenen Tiere ähnle jener Hoffnung für Menschen – dass sie nun an einem Ort der Geborgenheit sind, frei von jeglichem Leid.