Bigna hat in der ehemaligen Bankfiliale im Erdgeschoss unseres Hauses einen Pop-up-Store eröffnet. Ein Laden ist es nicht wirklich, an der Tür steht: «Entsorgungsstelle für liegengebliebene, doppelte und ungeliebte Geschenke und Dinge aller Art.»
Ich war der erste Besucher. «Was bringst du?», fragte Bigna. «Noch nichts, aber ich wohne ja nur eine Tür weiter. Was willst du?» «Egal, irgendwas, das du loswerden willst.» Ich machte kehrt und kam mit einer Schachtel Postkarten wieder, die mit Sinnsprüchen bedruckt waren, einem Werbegeschenk. Bigna untersuchte die Karten, roch am Papier, lauschte dem Geräusch, wenn beim Öffnen der Schachtel das Vakuum sich mit leisem Ploppen löste, und sagte: «Sehr schön. Dieses Geräusch ist sehr tröstlich, wenn man an einem kalten Wintertag allein zu Hause ist.»
«Ich schenke sie dir», sagte ich. «Kannst du gar nicht mehr, du hast sie schon entsorgt», erklärte Bigna und zog eine Karte aus dem Stapel. «Wahre Freundschaft ist eine sehr langsam wachsende Pflanze», stand darauf. Das Kind nahm einen Marker zur Hand und zeichnete langsam, aber stetig eine Schlingpflanze auf die Karte, manche Blüten hatten herzförmige Blätter, andere aufgerissene Mäuler mit Spitzzähnen – so lange, bis die Karte damit bedeckt war. Zuletzt wurden an den Rand die Worte «blera fortüna» gequetscht, viel Glück.
«Jetzt du.» Bigna liess mich eine Karte ziehen und gab mir den Stift. «Aber ist das nicht schade?», fragte ich, «danach kann sie niemand mehr gebrauchen.» «Na, und ob! Da hat es jemand gut gemeint, war aber nicht sehr begabt. Wir schenken unsere Begabung dazu.» Seufzend las ich: «Wenn ich liebe, werde ich reicher um das, was ich liebe», dachte nach und schrieb darunter: «Wenn ich liebe, werde ich reicher um meine Liebe.» Bigna strahlte: «Ich wette, darauf wärst du ohne die doofe Karte nicht gekommen. Jetzt wieder ich.»
So verbesserten wir alle 25 Karten, danach wollte ich sie wieder mitnehmen. Aber Bigna sagte: «Nichts da, entsorgt ist entsorgt. Die verkaufe ich dem Nächsten. Du wirst dich wundern, wie viel ich verdiene.»