Man bringt mich nicht so leicht aus der Ruhe. Aber als Bigna uns gestern besuchte, schimpfte ich gerade wie ein Rohrspatz. Grund war unser Dorfmüll. Um ihn zu sammeln, stehen oben und unten im Dorf zwei dezente Häuschen, darin verbergen sich Container. Nur in der Dorfmitte lagern die Säcke zweimal die Woche unschön beim Dorfbrunnen, auf dem Platz vor einem Gasthof. Endlich hat sich die Gemeinde dazu durchgerungen, das zu ändern. Nur wie? Sie hebt die Häuschen auf, und alle bringen jetzt ihren Müll auf den Dorfplatz!
«Bestimmt hat das einen guten Grund», sagte Bigna, die sich im neuen Jahr in positivem Denken üben will. Ich lachte bitter. «Natürlich, die Gemeinde spart ein paar Franken Miete für die Häuschen. Aber wie sieht das aus? Das Tal lebt doch vom Tourismus! Und wenn alle ihren Müll vor dem Gasthof stapeln, gibt das einen richtigen Berg!» «Vielleicht geht es Christa ja genau darum», sagte Bigna, «die Leute kommen doch wegen den Bergen zu uns. Und jetzt haben wir einen mitten im Dorf.» Christa ist unsere Gemeindepräsidentin.
«Einen Berg lilafarbener Müllsäcke», rief ich empört, «wir sind ein Naturschutzgebiet, wir werben nicht mit Müll.» «Oder», fuhr Bigna fort, «es geht genau darum, dass wir so einen Berg hässlich finden und uns dafür schämen und deshalb weniger wegwerfen. Oder Christa findet Karl den Grossen toll und will, dass ganz viele Leute ihn sehen.» Karl der Grosse ist unser «Wappentier», deshalb prangt sein Kopf auf jedem Müllsack.
Ich seufzte. «Vielleicht will Christa auch einfach nur sagen: Seht den weissen, alten Mann an. Die gehören alle auf den Müll.» «Alle? Du bist doch auch einer.» «Eben, deshalb weiss ich, wovon ich rede. Vielleicht sollte ich mich jeden Dienstag und Freitag zuoberst auf den Müllberg setzen.» Bigna jubelte: «Das ist eine prima Idee, dann haben wir noch viel mehr Gäste!» Sie wollte mir sogar ihre Krone vom Dreikönigskuchen leihen.
Dazu kam es aber nicht, Christa überdachte ihren Plan. Wenn jeder Haushalt bezahlt, dürfen wir die Müllhäuschen behalten.