Die Jungen für die Kirche begeistern

Jugendprojekt

Das verstaubte Image der Kirche hält Junge davon ab, sich hier zu engagieren. Das Netzwärch 25 will dies ändern. Zwei junge Frauen erzählen, warum sie in der Kirche aktiv sind.

Im Gottesdienst sitzen meist ältere Personen. Es gibt kaum junge Kirchgemeinderäte und -rätinnen. Selten engagieren sich Männer und Frauen unter 30 in der Kirche. Viele Junge finden Kirche nicht zeitgemäss, haben immer weniger Berührungspunkte mit dem kirchlichen Leben. All dies möchte eine Gruppe junger Engagierter ändern. Sie haben das Netzwärch 25 initiiert, das 2019 aus dem Zukunftstag der reformierten Berner Landeskirche hervorgegangen ist. Damals formulierten Jugendliche ihre Visionen für die Kirche und erarbeiteten Forderungen und Anliegen an Kirchgemeinden und Landeskirche.

Das Netzwerk wurde aktiv und entwickelte diverse Projekte: Den Gottesdienst «reformeet» gestalten junge Erwachsene für ihresgleichen. Das Projekt «25-25-25» hat zum Ziel, in 25 Kirchgemeinden junge Menschen um die 25 Jahre für 25 Monate in ihrem örtlichen Kirchgemeinderat einzusetzen, wie etwa Kimena Bürgi (siehe unten).

Von Meet und Meetings

Das Netzwerk organisiert zudem Di­alogrunden unter dem Titel «reformeetings». Im März fanden zwei Diskussionsabende per Zoom statt. Teilnehmer und Teilnehmerinnen diskutierten unter dem Motto «Glauben bedeutet nicht Hirn ausschalten» und «Jesus wäre unsere Kirche peinlich». Am letzten dieser Meetings steht am 3. April die Aussage «Die Kirche erstickt an ihren Traditionen» im Mittelpunkt.
Christoph Kipfer von der Berner Landeskirche begleitet das Netzwärch 25. «Ich bin eine Art Mentor, schlage Brücken zu Kirchgemeinden und Landeskirche, weil ich mit den Strukturen vertraut bin», erklärt er. Die Themen aber bestimmen die jungen Erwachsenen. Das Netzwerk soll ihnen dazu dienen, Ideen auszutauschen, sich zu vernetzen und auf diese Weise eine Stimme zu erhalten. «Junge Menschen sollen mitreden, was aus der Kirche werden soll. Denn schliesslich sind sie es, die die Kirche in die Zukunft tragen.»

www.netzwärch25.ch

Kirche ist, was man daraus macht

«Die Kirche hat den Ruf, langweilig zu sein, aber das stimmt nicht», findet Jasmin Gonçalves. Die 30-Jährige hat Soziale Arbeit studiert. Seit 2017 arbeitet sie in der Kirchgemeinde Biel im Bereich Kinder, Jugend und Familie. Für die Kirche zu arbeiten, sei für sie bei Stellenantritt unwichtig gewesen.

Aufgewachsen ist sie katholisch. Bis in die Jugend hinein war sie in der katholischen Kirche aktiv. Doch dann wandte sie sich von der Kirche ab. «Durch die Stelle bei den Reformierten fand ich dann wieder den Bezug zur Kirche.» 2020 beschloss sie, reformiert zu werden. Sie liess ihre kleine Tochter taufen und will nun Katechetin werden.

Junge und Alte sind gefragt

Gonçalves ist im Netzwärch 25. «Die Kirche braucht aktive junge Menschen, weil Kirche nur so eine bessere Zukunft hat», ist sie überzeugt. «Wir müssen Kirche zu einem Ort machen, wo junge Menschen Gemeinschaft erleben.» Um dies zu ermöglichen, brauche es aber nicht nur motivierte junge Männer und Frauen. Ebenso gefragt seien Mitglieder des Kirchgemeinderates sowie Pfarrerinnen und Pfarrer. Von ihnen erwartet Gonçalves Aufgeschlossenheit gegenüber den Jun­gen. Am Netzwärch 25 schätzt sie den Austausch. Zu sehen, was in anderen Gemeinden alles passiere, mo­tiviere und inspiriere sie.

Damit die Kirche ihr verstaubtes Bild loswerde, sollte sich auch die Kirchliche Unterweisung wandeln, so Gonçalves. «Viele schicken ihre Kinder nicht dorthin, weil sie die KUW einem langweiligen Religionsunterricht gleichstellen.» Darin erblickt Gonçalves ein grosses Hindernis. «Positive Erfahrungen mit Kirche sind auf diese Weise kaum möglich.» Zudem hofft sie auf eine gesellschaftliche Veränderung. «Ich möchte mich inskünftig nicht mehr für mein kirchliches Engagement rechtfertigen.» Das wer­de stets als uncool eingestuft. Wenn jedoch die Vertreter anderer Religionen vom Glauben redeten, werde kaum hinterfragt. «Kirche ist, was man daraus macht», ist sie überzeugt.

Zeigen, was Kirche zu bieten hat

Kimena Bürgi sagt es deutlich. «Wir stehen an einem Wendepunkt», ist sie überzeugt. «In den kommenden zehn Jahren entscheidet es sich, ob sich die Kirche an die Wand fährt.» Gemäss der 22-Jährigen fokussiere Kirche vorab auf über 65-Jährige. «Für jüngere Generationen aber fehlen attraktive Angebote.»

Ihr Engagement in der Kirche sei zufällig gewachsen: Ihre Konfirmationspfarrerin fragte die gelernte Köchin, ob sie bei Jugendgottesdiensten den Apéro organisiere. «So bin ich reingerutscht. Vorher machte ich eher schlechte Erfahrungen mit der Kirche.» Seit mehr als sechs Jahren ist die Spiezerin bei den Jugendgottesdiensten aktiv.

Digital und vernetzt

Bürgi ist seit einem Jahr Mitglied des Spiezer Kirchgemeinderates. «Ich setze mich für die Digitalisierung ein, für ein Angebot für 20-Jährige und junge Eltern», sagt Bürgi. «Wir brauchen mehr Gottesdienste für junge Erwachsene.» Ihre Ideen und Ansichten stiessen im Rat auf Wertschätzung. Sie habe immer offene Türen vorgefunden.

Die engagierte Frau träumt von einer digitalen Kirche. Hofft, dass es die Kirche in 30 Jahren tatsächlich noch gibt. «Sie soll nicht nur als verstaubtes Gebäude mit Gottesdiensten am Sonntagmorgen angesehen werden, sondern als Ort der Gemeinschaft», meint sie.

Am Netzwärch 25 schätzt Bürgi die Vernetzung, den Austausch mit Gleichgesinnten und das gemeinsame Organisieren von Veranstaltungen, die auf die Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet sind. «In einem solchen Netzwerk kann man einander unterstützen, man setzt sich für das gleiche Ziel ein.» Freundinnen und Freunde von Bürgi engagieren sich fast alle in der Kirche. «Hier habe ich mein Umfeld, meine zweite Familie gefunden.» Aus dem Engagement für die Kirche ist auch ein neuer Berufswunsch gewachsen: Sie möchte Theologie studieren. Für Bürgi ist klar: Die Jungen sind die Zukunft der Kirche. «Ihnen müssen wir zeigen, was Kirche alles zu bieten hat.»