Sie sind nicht nur Professor für Astrophysik, sondern auch Laienprediger. Was motiviert Sie, das Wort Gottes zu verkündigen?
Heino Falcke: Der Glaube ist für mich das Schönste, was man teilen kann. Ihn will ich teilen. In unserer Gemeinde gestalte ich «andere Gottesdienste», die nicht an die Liturgie gebunden sind, mit modernen Liedern oder Theaterstücken. Ausserdem erzähle ich gerne biblische Geschichten. Die Bibel möchte erzählt werden, dadurch wird sie lebendig.
Gibt es eine biblische Lieblingsgeschichte, die Sie gern mitteilen?
Ich habe viele. Im Alten Testament unter anderem die von Elia, der sich verängstigt in einer Höhle versteckt (Kön 19,13). Gott erscheint ihm nicht im Sturm, auch nicht im Erdbeben, sondern «im Säuseln der Stille». Das gefällt mir. Vor Kurzem sprach ich an einem Kongress mit einem jüdischen Kollegen über diese Bibelstelle. Eine halbe Stunde diskutierten wir über die treffende Übersetzung; für ihn ist es der Hauch des Windes, nicht das Säuseln der Stille. Das ist hochspannend.
Sie kommen aus einem religiösen Elternhaus. Hatten Sie je so etwas wie ein Erweckungserlebnis?
Meine geistliche Erweckung geschah in der Jugend. Ich war damals in der CVJM, dem Christlichen Verein Junger Menschen. Eines Morgens erwachte ich mit dem starken Gefühl, dass Gott da und lebendig ist. Am Vorabend hatten wir einen Kindergottesdienst gefeiert, sonst war nichts Besonderes geschehen. Jahre später erging es mir in einer eindrücklichen Karfreitagspredigt ähnlich: Ich war überwältigt vom Gefühl, dass Jesus für uns Menschen am Kreuz gestorben ist.
Die Kirche hat ja derzeit eher Gegenwind. Wie wichtig ist es heute, den Glauben hochzuhalten?
Das Bedürfnis nach geistlicher Orientierung, nach Klarheit und liebevoller Begleitung ist sehr stark. Ich bin überzeugt, dass wir Mitarbeitenden der Kirchen Saatkörner bewahren, die wieder austreiben werden. Bei der Preisverleihung des christlichen Medienpreises wurde ein Artikel mit dem Titel «Ich bin Atheist, warum missioniert mich keiner?» ausgezeichnet. Der Autor hat Kirchenvertreter gefragt, ob sie wirklich glauben, wovon sie reden. Meiner Meinung nach erfüllt die Kirche das Bedürfnis nach überzeugender Mission nicht richtig.
Wie meinen Sie das?
Die eine Seite der Kirche traut sich kaum, etwas von ihrem Glauben zu erzählen. Die andere berichtet zwar davon, tut das aber lieblos – mit moralinsauren Predigten, die viele Leute ausschliessen. Ich wünsche mir, dass die Polarisierung zwischen liberal, orthodox und evangelikal langsam zusammenfliesst und dass Mauern einreissen.
Oder das Schwarze Loch sich füllt.
Genau (lacht). Das Loch in der Mitte sollte sich wieder füllen mit glaubhaftem Leben und lebhaftem Glauben. Jene kirchlichen Kräfte, die offene Türen für alle Menschen haben, sind leider nicht so sichtbar