Langsam dämmert es. Bei geöffnetem Fenster strömt der Geruch von Heilkräutern in den Raum. Friedlich und noch kühl zeigt sich dieser Hochsommermorgen nahe der Limmat. Es ist zwanzig nach fünf. Zeit für die Benediktinerinnen vom Kloster Fahr, die Vigil zu beten. Schwester Andrea rückt einen Stuhl vor das Fenster ihres Zimmers und beginnt mit der Liturgie des Morgengebets. Später wird sie sagen: «Ich erlebte, wie mir das Licht während der Vigil immer weiter entgegenkam, das war wunderbar.»
Seit die Mehrheit der Schwestern des 1135 gegründeten Klosters über 75 Jahre alt ist und einige von ihnen bereits am Rollator gehen, hat die Gemeinschaft entschieden, die Vigil nicht mehr gemeinsam zu beten. Die Nonnen beten in ihren eigenen Zimmern und nicht wie alle anderen Tagzeitengebete in der Klosterkirche. Die Benediktsregel, die seit dem Mittelalter Grundlage dieser klösterlichen Gemeinschaft ist, lasse solche Anpassungen zu, sagt Priorin Irene Gassmann.
Wenn die Stadt erwacht
Um 6:45 Uhr erwacht auch in Zürich-Wiedikon am Fuss des Uetlibergs die Stadt. Bei Barkat Cash & Carry rumpelt ein Lieferwagen auf das Trottoir, vor dem Kiosk Schloss sitzt ein Mann bei Kaffee, Zeitung und Zigarette. Geräusche und Gerüche finden ihren Weg auch ins Bethaus Wiedikon, wo das Stadtkloster Zürich zu den Tagzeitengebeten einlädt. Die Tür zum schlichten Kirchenraum steht offen. Alle sind willkommen.