Schwerpunkt 28. Mai 2021, von Christa Amstutz Gafner, Constanze Broelemann

Warum der Sonntag kein Relikt für das Museum ist

Sonntag

Eine Warenhaus-Chefin, ein pensionierter Pfarrer, eine Verkäuferin und Studentin und ein Jungfreisinniger treffen sich im Museum – zum Reden über Ruhetage und Sonntagsarbeit.

Hat der Museumsbesuch Sonntagsgefühle in Ihnen geweckt?

Hansueli Egli: Bei mir eher Alltagserinnerungen. Ich habe eine Jahreskarte und bin oft im Kunstmuseum.

Yannik Gartmann: Und bei mir waren es fast Feriengefühle. Ins Museum gehe ich vor allem auf Städtereisen.

Welchen Tag in der Woche mögen Sie persönlich am liebsten?

Kathrin von Arx: In meiner Rolle als Leiterin eines Warenhauses sind die schönsten Tage jene, die am umsatzstärksten sind: Samstag und Freitag. Privat ist es klar der Sonntag, mein fixer freier Tag. Da haben auch meine Lieben meist frei, wir unternehmen gemeinsam etwas, gehen zum Beispiel ins Museum.

Jasmin Moser: Der Tag, an dem ich frei habe. Als Studentin und Verkäuferin ändert sich das ständig. Ich gehe übrigens selten ins Museum, aber es hat mir gefallen heute.

Yannik Gartmann: Ich mag wohl den Samstag am liebsten. Da unternehme ich am meisten. Der Sonntag ist auch gut. Ich treffe mich mit Freunden für Skitouren, zum Klettern, Biken. Bei schlechtem Wetter bin ich oft mit der Familie zusammen.

Hansueli Egli: Wenn man wie ich pensioniert ist, kann jeder Tag der schönste sein. Zuvor, als Pfarrer, war der Sonntag für mich ein Arbeitstag. Dass ich jetzt auch sonntags frei habe, finde ich super.

Ist der Sonntag etwas Besonderes?

von Arx: Der Sonntag ist der Familientag, man hat Zeit füreinander und für Freunde und Verwandte. Er gibt Konstanz und Ruhe.

Moser: Ich arbeite in Interlaken, in einer Tourismusregion. Dort sind die Läden sonntags immer geöffnet. Der Sonntag ist für mich also meistens ein Arbeitstag, was ich schade finde, denn ich schätze ihn ebenfalls als Familientag. Für mich wird das nicht immer so bleiben. Von den fest angestellten Kolleginnen und Kollegen höre ich aber sehr oft, wie belastend es ist, wenn der gemeinsame Sonntag fehlt.

Der lässt sich nicht auf Montag oder Mittwoch verschieben?

Moser: Überhaupt nicht. Der Partner, die Partnerin, die Freunde und Verwandten arbeiten dann meist, die Kinder sind in der Schule. Gerade für Familien ist Sonntagsarbeit ein grosses Problem.

von Arx: An drei von vier Sonntagen im Monat zu arbeiten, stelle auch ich mir belastend vor.

Feiern und sündigen sind sich so nahe

Der Sonntag als arbeitsfreier Wochentag ist das christliche Pendant zum jüdischen Sabbat. In der Bibel wird der siebte Wochentag von Gott als Ruhe- und Freudentag bestimmt. Als das jüdische Volk im babylonischen Exil weilte (597–539 v. Chr.), blieb ihm der überlieferte Tempeldienst verwehrt. Als Ersatz kamen die Juden regelmässig am Sabbat zusammen, um die religiösen Schriften zu lesen und zu beten. Daraus entstand der Gottesdienst, wie er sich in eigener Prägung später auch in den christlichen Kirchen als Sonntagsfeier etablierte.

Allerdings grenzten sich die Christen von den Juden ab, indem sie nicht den letzten, sondern den ersten Tag der Woche als geheiligten Ruhetag festlegten. Denn Jesus war am Tag nach dem Sabbat auferstanden, an jenem Tag, der nach dem antiken Planeten­kalender der Sonne geweiht war. Kaiser Konstantin erklärte im Jahr 321 den Sonntag per Gesetz zum christlichen Feiertag mit allgemeiner Arbeitsruhe für das ganze Römische Reich.

Später, nach reformatorischem und insbesondere puritanischem Verständnis, musste der Tag des Herrn strikte geheiligt werden. An einem Sonntag zu bechern, auszureiten, zu tanzen und anderen Lustbarkeiten zu frönen, galt als sündig. Breite Teile der Bevölkerung nahmen es damit aber nicht so genau – oder opponierten sogar wie in England. Deshalb tägliche Zerstreuungen ausdrücklich Tanz, Bogenschiessen, Weitsprung, Hochsprung und ein paar volkstümliche Ertüchtigungsspiele.

Der Sonntag mit seinem speziellen Nimbus lädt auch immer wieder zu literarischen und kulturphilosophischen Betrachtungen ein. Der Pädagoge und Mathematiker Wolfgang Held vergleicht in seinem Buch «Der siebenfache Flügelschlag der Seele» den Sonntag mit Michelangelos David-Statue: «Im klaren, ernsten und zuversichtlichen Blick des David kommt mehr an seelischer Sonntagsstimmung zum Ausdruck, als man in vielen Büchern schreiben kann.» heb

 

Kürzlich haben Sie sich aber für mehr Sonntagsverkäufe im Kanton Bern starkgemacht.

von Arx: Es ging um vier statt zwei verkaufsoffene Sonntage im Jahr! Die lassen sich gut planen, unsere Mitarbeitenden haben damit kein Problem. Im Gegenteil, wir schätzen die entspannte Stimmung an den Sonntagsverkäufen im Advent. Für viel mehr offene Sonntage würde ich mich jedoch nicht einsetzen. Dazu ist der Tag sozial zu wichtig.

Moser: Das Stimmvolk hat zum Glück Nein gesagt zur Vorlage. Beruhigt bin ich deshalb nicht. Der nächste Versuch wird nicht lange auf sich warten lassen. Mit den Abendöffnungszeiten ist es dasselbe, die geraten auch immer wieder unter Liberalisierungsdruck.

Gartmann: Die Globalisierung bringt es mit sich, dass die Arbeitszeiten flexibler werden. Wenn man mit einem Kunden in Asien telefonieren möchte, muss man das vielleicht auch mal abends tun. Man sollte sich solchen Entwicklungen nicht verschliessen. Gerade für Randregionen wäre es gut, wenn der einzige Laden im Dorf am Sonntag offen wäre, weil die Leute die Woche über vielleicht auswärts arbeiten. Und ich sehe nicht ein, warum Inhaber der kleinen Läden in der Churer Altstadt nicht selber entscheiden sollen, wann sie öffnen. Es sind ja meist Kleinstbetriebe.

von Arx: Ich finde auch, dass Ein­personenbetriebe die Möglichkeit haben sollten, ihre Öffnungszeiten selber zu wählen. Und die grossen Geschäfte haben genug Personal, um Sonntagseinsätze verträglich zu verteilen. Schwieriger ist es hingegen für mittlere Betriebe mit nur drei, vier Angestellten.

Moser: Ohne dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden, sollte die Liberalisierung nicht mehr stärker vorangetrieben werden. Allein­erzie-hende Mütter beispielsweise können von Löhnen, die sie im Detailhandel verdienen, kaum leben.
von Arx: Das stimmt. Und wenn sie bis spätabends arbeitet, ist auch keine Kita mehr offen. Es gibt aber auch Lebenssituationen, in denen Sonntags- und Abendverkäufe passen. Studierende schätzen sie, Wiedereinsteigerinnen sind oft froh, dann zu arbeiten, wenn der Mann zu den Kindern schauen kann.

Am Sonntag verdient man doch auch mehr, oder?

Moser: Das wurde im Abstimmungskampf immer wieder als Argument genannt, ja. Ich bin dennoch überzeugt: Wären die Löhne im Detailhandel besser, würden die meisten meiner Kolleginnen am Sonntag oder spätabends nicht freiwillig im Laden stehen. Jetzt sind sie auf den Mehrverdienst halt angewiesen.

Rezept für einen Sonntagsbraten

Vor-­ und Zubereitung: ca. 120 Min.

Zutaten für 4 Personen:

1,2–1,6 kg Schweinshals
4 Knoblauchzehen halbiert
Paprika, Senf
Salz und Pfeffer

1 EL Bratbutter
3 dl Weisswein
2 Lorbeerblätter
1 Nelke
2 Zwiebeln, halbiert
20 g getrocknete Steinpilze
200 g Rüebli, in Würfeli
Saucenrahm

1. Fleisch ca. 1 Std. vor dem Braten aus dem Kühlschrank nehmen. Mit einem spitzen Messer ca. 8-mal versetzt ins Fleisch schneiden. Je eine halbe Knoblauchzehe in die Einschnitte stecken, bis sie nicht mehr sichtbar ist. Fleisch mit Senf, Paprika, Pfeffer, Salz würzen. Pilze in lauwarmem Wasser einweichen, dann abtropfen lassen.

2. Bratbutter im Brattopf erhitzen. Fleisch im Ofen bei 220 °C rundum ca. 8 Min. anbraten, erst wenden, wenn sich eine Kruste gebildet hat. Wein und alle Zutaten bis und mit Rüebli bei­geben, aufkochen. Bei 180 Grad ca. 90 Min. schmoren. Vor dem Tranchieren den Braten zugedeckt ruhen lassen. Flüssigkeit vor dem Servieren mit Saucenrahm abschmecken.
Dazu passen: breite Nudeln oder Trocken­reis, Frühlingsgemüse. ti

 

Wenn man die letzten Abstimmungsergebnisse rund um Ladenöffnungszeiten anschaut, hat man den Eindruck, dass die Leute gar nicht häufiger shoppen wollen. 

Moser: Ich bin froh und dankbar über das Nein im Kanton Bern zu mehr verkaufsoffenen Sonntagen und zuvor schon zu noch längeren Öffnungszeiten am Abend.

von Arx: Ich glaube, bei vielen Menschen stand hinter ihrem Entscheid die Sorge über die Arbeitsbedingungen des Verkaufspersonals. Was nicht bedeutet, dass die Leute nicht doch kommen würden, wenn die Läden öfter offen wären. Eine Rolle spielt sicher auch der Online-Handel. Dort kann man einkaufen, wann immer man will.

Gartmann: Vielleicht entscheiden urban geprägte Regionen auch anders als ländliche. Wir Jungen schätzen definitiv mehr Flexibilität. In der Stadt hat man mit Bahnhof­läden und Tankstellenshops bereits jetzt viele Möglichkeiten.

Obwohl der Sonntag für viele Leute wichtig bleibt, hat er sich stark gewandelt. Wie sehen Sie die Veränderungen?

Gartmann: Ich mochte das sonntägliche Wandern auch nicht. Am Nachmittag war ich häufig mit Freunden im nahe gelegenen Wald unterwegs, bis es dunkel wurde. Was ich hingegen sehr genoss, war der Sonntagsbrunch. Da gab es immer Drei-Minuten-Eier, die ich liebte.

Egli: Früher hat der Sonntag die ganze Woche rhythmisiert. Am Samstag hat man gebadet, am Sonntag neue Kleider angezogen. Solch gemeinsame Rhythmen haben sich in den letzten 20 oder 30 Jahren immer mehr verflüchtigt. Man arbeitet nachts oder am Sonntag, macht tagsüber oder am Montag frei. Zugleich kommt vonseiten der Lebensberatung heute der Rat an die überarbeiteten Leute, feste Ruhezeiten und eine gewisse Ordnung im Wochenverlauf einzuhalten. Letztlich ist das nichts anderes als die christliche Sonntagsruhe.

In den Sonntagsgottesdienst kommen immer weniger Leute.

Egli: Auch wenn für viele Menschen heute der Sonntag nicht mehr an die Kirche gebunden ist, bin ich überzeugt: Das Bedürfnis nach Ruhe, Innehalten und Nachdenken über den Sinn unseres Tuns ist immer noch sehr aktuell. Wir spüren, dass durchzuarbeiten uns genauso wenig guttut wie gar nichts zu tun. Und die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben, nach erfüllten Beziehungen ist ungebrochen. Das sind letztlich religiöse Themen, die heute einfach vermehrt in nicht kirchlichen Zusammenhängen neu aufgenommen werden.

Das schaurig-schöne Lied vom Sonntag

Wie so oft in der Popmusik sind die traurigsten Lieder die schönsten. So ist es auch, wenn es um den Sonntag geht. «Gloomy Sunday» heisst die schaurig-schöne Hymne auf die quälende Verlassenheit am Sonntag, die sich spätestens in der Version von Billie Holiday (1915–1959) in die Musikgeschichte eingeschrieben hat. Der genialen, stets absturzgefährdeten Sängerin schien das Lied, das dunkel schillernd die Sehnsucht nach Liebe mit der Todessehnsucht verbindet, auf den Leib geschrieben.

Ursprünglich hatte László Jávor im Herbst 1932 auf Ungarisch den düsteren Sonntag beschrieben, der nur erhellt wird durch die Blitzlichter einer gescheiterten Liebe. Der Pianist Rezső Seress schrieb die Melodie dazu. Als Sam M. Lewis den Text ins Englische übertrug, setzte eine Inflation der Interpretationen ein. Von Björk über Genesis bis Rokia Traoré haben sich unzählige Künstlerinnen, Bands und Interpreten am Standard der Sonntagsmelancholie versucht.

Besonders berührt die Interpretation von Mari­anne Faithfull, die sie während der Sessions für «Strange Weather» (1987) einspielte, ohne sie zu veröffentlichen. Ihr Stern war einst als Muse von Mick Jagger aufgegangen. Die Sternschnuppe drohte rasch zu verglühen. Faithfull erlitt eine Fehlgeburt, verübte einen Suizidversuch, geisterte als obdachlose Drogensüchtige durch ihre Geburtsstadt London. Mit «Broken English» kehrte sie 1979 in triumphaler Zerbrechlichkeit zurück.Die romantische Verzweiflung von «Gloomy Sunday» erschwerte den Erfolg und beflügelte ihn zugleich. Holidays oder Faithfulls Biografien erzählen von der gleichen Ambivalenz.

Bereits Jávor und Seress hatten zuerst keinen Verlag für ihren Song gefunden. Später erlangte er gerade deshalb Berühmtheit, weil er im Verruf stand, Verliebte zum Suizid zu verleiten. Radiostationen weigerten sich, das Lied zu spielen. Vergeblich. Die BBC schaffte es nicht einmal, das Verbot im eigenen Haus durchzusetzen. Zu verlockend erscheint der sonntägliche Flirt mit dem Abgrund. fmr

 

Spielt für Sie die Kirche am Sonntag noch eine Rolle?

Gartmann: Als ich ein Kind war, sind wir an Weihnachten und Ostern in die Kirche gegangen. Jetzt besuche ich kaum Gottesdienste mehr. Bezie­hungen sind mir jedoch sehr wich­tig. Verabredungen treffen wir spon­taner als früher. Die Kehrseite davon ist, dass auch häufiger kurzfristig absagt wird. Das nervt.

Moser: Mein Vater ist reformiert, meine Mutter katholisch. Wir wurden katholisch unterrichtet. Nach der Firmung ging ich kaum mehr zur Kirche. Und vor ein paar Monaten bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil der Papst einmal mehr irgendetwas Unmögliches gesagt hat.

von Arx: Ich bin ebenfalls katholisch aufgewachsen. Und der Kirchgang gehört auch für mich nicht mehr zum Alltag. Beziehungen pflege ich anderswo. Während sich mein Leben fortlaufend verändert hat, hat sich die Kirche in meiner Wahrnehmung nicht entsprechend modernisiert. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Ruhe von Kirchenräumen auch heute noch geschätzt wird.

Gartmann: Nach Ruhe sehnen sich viele Menschen. Seit Ausbruch der Pandemie ist die Ruhe in Graubünden beispielsweise gefragt. Viele im Homeoffice gestresste Leute aus dem Unterland mieten sich eine Woh­nung, um in der Freizeit Ski fah­ren oder wandern zu können oder einfach die Abgeschiedenheit und die Natur zu geniessen.

Einerseits gibt es das Bedürfnis nach mehr Ruhe, andererseits die Forderung nach Konsummöglichkeiten, die immer offenstehen.

Egli: Diese Diskrepanz beschäftigt mich sehr. Rund um die Uhr offene Geschäfte sind eine Einladung, immer mehr zu konsumieren. Wenn der Laden im Dorf am Sonntag geschlossen hat, dann kaufe ich wahrscheinlich auch weniger ein.

Gartmann: An diesen Läden im Dorf hängen aber Arbeitsplätze. Gerade in den Randregionen ist jeder Arbeitsplatz wichtig, um der ständigen Abwanderung in die Ballungszentren entgegenzuwirken.

Egli: Dennoch müssten wir angesichts der Klimakrise sagen: Weniger wäre mehr. Ich weiss nicht, wie wir in unseren Köpfen den Schalter umlegen können. Meine Hoffnung liegt bei den jungen Leuten. Wenn ich jedoch sehe, wie auch sie teilweise sorgenfrei konsumieren, bin ich mir nicht sicher, ob diese Hoffnungen berechtigt sind.

Gartmann: Mit einem Verbot von Sonntagsverkäufen werden wir die Lage weder verbessern noch verschlimmern. Welches Konsumverhalten die nächste Generation hat, hängt vor allem auch davon ab, was wir ihnen selber vorleben.

Moser: Es ist wichtig, immer wieder über diese Herausforderungen zu reden. Von rechts bis links wird Wachstum gefordert. Wachstum ist aber nicht unbegrenzt möglich. Und davon werden auch die Ärmeren nicht reicher, wie die letzten Jahrzehnte zeigen. Wenn man die Dinge aus einer bestimmten Perspektive anschaut, sorgt man sich zum Beispiel vor allem um Arbeitsplätze. Tritt man aber einmal einen Schritt zurück und schaut das grosse Ganze an, wird klar, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss an unserem Konsumverhalten genauso wie an unserem System.

von Arx: Wir sehen alle, was mit unserer Welt passiert. Politik, Kirche, jeder und jede steht in der Verantwortung, etwas zu verändern, wenn er oder sie das Gefühl hat, etwas verändern zu müssen. 

Nehmen Sie im Verkauf einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit wahr, der dann auch wieder entsprechend vermarktet wird?

von Arx: Das Kundenbedürfnis nach Nachhaltigkeit stellen wir durchaus fest. Und wenn es Trends gibt, werden diese natürlich von jeder Branche aufgenommen und vermarktet. Was unsere Kundinnen und Kunden suchen, wollen wir ihnen möglichst auch bieten.

Gartmann: Ich glaube schon, dass sich das Konsumverhalten nach und nach ändert. Meine Grosseltern zum Beispiel haben noch voller Freude eine Dose Ananas aufgemacht, und das war etwas Besonderes, weil es nicht von hier war. Davon kommt man inzwischen immer mehr weg. Insofern glaube ich nicht, dass alles schlechter wird.

Moser: Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich einen Megatrend zu mehr Nachhaltigkeit gibt. Vegane Ernährung ist zwar in aller Munde, und das Angebot wächst. Gleichzeitig nimmt der Fleischkonsum ständig weiter zu. Bei den Nachhaltigkeitstrends stellt sich immer auch die Frage, wer sie sich überhaupt leisten kann. Viele dieser Angebote sind immer noch wenigen Gutverdienenden vorbehalten.

Haben Sie schon Pläne für den kommenden Sonntag?

Gartmann: Ich treffe mich mit Freunden zum Grillieren.

Moser: Ich arbeite, wie meistens am Samstag und am Sonntag.

von Arx: Wir feiern den Geburtstag vom Göttibub.

Egli: Ich habe noch gar keine Pläne. Und genau das schätze ich.

Yannik Gartmann, 21

Yannik Gartmann, 21

Er absolvierte im Engadin die Lehre zum Geomatiker und die Berufsmatur. Jetzt lebt Gartmann in Chur und macht ein Praktikum in einer Bank, um dann Wirtschaftsrecht zu studieren. Er ist Vizepräsident der Bündner Jungfreisinnigen und Präsident der kantonalen Jugendsession. In Gegenden mit wenig Tourismus wünscht er sich mehr Sonntagsverkäufe.

​Jasmin Moser, 23

​Jasmin Moser, 23

Sie studiert Sozialarbeit und Sozial­politik in Freiburg. Um ihr Studium zu finanzieren, arbeitet sie in Interlaken als Verkäuferin bei einem Lebensmittel-Grossverteiler. Moser ist zudem Mitglied der Gewerkschaft Unia und engagiert sich dort für bessere Arbeitsbedingungen im Detailhandel. Sie ist gegen mehr Liberalisierungen der Öffnungszeiten im Verkauf.

Hansueli Egli, 74

Hansueli Egli, 74

In den letzten 14 Jahre seiner Berufstätigkeit war er Pfarrer in der Kirch­gemeinde Heiliggeist in Bern. Ende der 90er-Jahre wirkte Egli dort an der Gründung des ökumenischen Projekts «Offene Kirche» mit. Nach seiner Pensionierung leitete er während drei Jahren den Theologiekurs für Erwachsene. Er ist überzeugt, dass ein wöchentlicher Ruhetag wichtig ist. 

Kathrin von Arx, 43

Kathrin von Arx, 43

Sie ist Direktorin des Warenhauses Manor, das seit zwei Jahren in der Stadt Bern präsent ist. Damit ist sie auch zuständig für die Filialen in Schönbühl und Thun. Von Arx hat langjährige Erfahrung im Detailhandel. Im Vorfeld einer Abstimmung im Kanton Bern im März hat sie sich für vier statt zwei verkaufsoffene Sonntage im Jahr eingesetzt.