Spielt für Sie die Kirche am Sonntag noch eine Rolle?
Gartmann: Als ich ein Kind war, sind wir an Weihnachten und Ostern in die Kirche
gegangen. Jetzt besuche ich kaum Gottesdienste mehr. Beziehungen sind
mir jedoch sehr wichtig. Verabredungen treffen wir spontaner als
früher. Die Kehrseite davon ist, dass auch häufiger kurzfristig absagt
wird. Das nervt.
Moser: Mein Vater ist
reformiert, meine Mutter katholisch. Wir wurden katholisch unterrichtet. Nach der Firmung ging ich kaum mehr zur Kirche. Und vor ein paar
Monaten bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil der Papst
einmal mehr irgendetwas Unmögliches gesagt hat.
von Arx: Ich bin ebenfalls katholisch aufgewachsen. Und der Kirchgang
gehört auch für mich nicht mehr zum Alltag. Beziehungen pflege ich
anderswo. Während sich mein Leben fortlaufend verändert hat, hat sich
die Kirche in meiner Wahrnehmung nicht entsprechend modernisiert. Ich
kann mir aber vorstellen, dass die Ruhe von Kirchenräumen auch heute
noch geschätzt wird.
Gartmann: Nach Ruhe
sehnen sich viele Menschen. Seit Ausbruch der Pandemie ist die Ruhe in
Graubünden beispielsweise gefragt. Viele im Homeoffice gestresste Leute
aus dem Unterland mieten sich eine Wohnung, um in der Freizeit Ski
fahren oder wandern zu können oder einfach die Abgeschiedenheit und die Natur zu geniessen.
Einerseits gibt es das Bedürfnis nach mehr Ruhe, andererseits die Forderung nach Konsummöglichkeiten, die immer offenstehen.
Egli: Diese Diskrepanz beschäftigt mich sehr. Rund um die Uhr offene
Geschäfte sind eine Einladung, immer mehr zu konsumieren. Wenn der Laden im Dorf am Sonntag geschlossen hat, dann kaufe ich wahrscheinlich auch
weniger ein.
Gartmann: An diesen Läden im
Dorf hängen aber Arbeitsplätze. Gerade in den Randregionen ist jeder
Arbeitsplatz wichtig, um der ständigen Abwanderung in die
Ballungszentren entgegenzuwirken.
Egli:
Dennoch müssten wir angesichts der Klimakrise sagen: Weniger wäre mehr.
Ich weiss nicht, wie wir in unseren Köpfen den Schalter umlegen können.
Meine Hoffnung liegt bei den jungen Leuten. Wenn ich jedoch sehe, wie
auch sie teilweise sorgenfrei konsumieren, bin ich mir nicht sicher, ob
diese Hoffnungen berechtigt sind.
Gartmann: Mit einem Verbot von Sonntagsverkäufen werden wir die Lage weder
verbessern noch verschlimmern. Welches Konsumverhalten die nächste
Generation hat, hängt vor allem auch davon ab, was wir ihnen selber
vorleben.
Moser: Es ist wichtig, immer
wieder über diese Herausforderungen zu reden. Von rechts bis links wird
Wachstum gefordert. Wachstum ist aber nicht unbegrenzt möglich. Und
davon werden auch die Ärmeren nicht reicher, wie die letzten Jahrzehnte
zeigen. Wenn man die Dinge aus einer bestimmten Perspektive anschaut,
sorgt man sich zum Beispiel vor allem um Arbeitsplätze. Tritt man aber
einmal einen Schritt zurück und schaut das grosse Ganze an, wird klar,
dass sich grundsätzlich etwas ändern muss an unserem Konsumverhalten
genauso wie an unserem System.
von Arx: Wir sehen alle, was mit unserer Welt passiert. Politik, Kirche, jeder
und jede steht in der Verantwortung, etwas zu verändern, wenn er oder
sie das Gefühl hat, etwas verändern zu müssen.
Nehmen Sie im Verkauf einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit wahr, der dann auch wieder entsprechend vermarktet wird?
von Arx: Das Kundenbedürfnis nach Nachhaltigkeit stellen wir durchaus fest. Und wenn es Trends gibt, werden diese natürlich von jeder Branche
aufgenommen und vermarktet. Was unsere Kundinnen und Kunden suchen,
wollen wir ihnen möglichst auch bieten.
Gartmann: Ich glaube schon, dass sich das Konsumverhalten nach und nach ändert.
Meine Grosseltern zum Beispiel haben noch voller Freude eine Dose Ananas aufgemacht, und das war etwas Besonderes, weil es nicht von hier war.
Davon kommt man inzwischen immer mehr weg. Insofern glaube ich nicht,
dass alles schlechter wird.
Moser: Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich einen Megatrend zu mehr Nachhaltigkeit gibt. Vegane Ernährung ist zwar in aller Munde, und das Angebot wächst. Gleichzeitig nimmt der Fleischkonsum ständig weiter zu. Bei den
Nachhaltigkeitstrends stellt sich immer auch die Frage, wer sie sich
überhaupt leisten kann. Viele dieser Angebote sind immer noch wenigen
Gutverdienenden vorbehalten.
Haben Sie schon Pläne für den kommenden Sonntag?
Gartmann: Ich treffe mich mit Freunden zum Grillieren.
Moser: Ich arbeite, wie meistens am Samstag und am Sonntag.
von Arx: Wir feiern den Geburtstag vom Göttibub.
Egli: Ich habe noch gar keine Pläne. Und genau das schätze ich.