Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hat sich seit Jahren für ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus eingesetzt – obwohl die Wirkung von Denkmälern immer häufiger in Frage gestellt wird. Warum braucht es das Memorial?
Jonathan Kreutner: Im Jahr 2023 hat der Bundesrat über die Umsetzung des Erinnerungsorts in Bern entschieden. Das Memorial-Projekt stützt sich auf drei Pfeiler: Erinnern – Vermitteln – Vernetzen. Für uns ist es wichtig, dass es in der Schweiz einen zentralen, für alle zugänglichen Erinnerungsort gibt, und zwar in der Bundeshauptstadt Bern, wo die politischen Entscheide getroffen wurden. Aber ein «Denkmal» allein reicht heutzutage nicht mehr aus. Es braucht auch einen Ort der Vermittlung, um den Menschen die Geschichte und Zusammenhänge zu erklären. Nur durch das Wissen über die Vergangenheit entsteht Verantwortung für die Zukunft.
Erinnerung als Prävention?
Genau. Es ist aber nicht das Ziel, den Zeigefinger zu erheben oder den Menschen drei Generationen später eine Schuld aufzubürden. Es geht vor allem darum, das Bewusstsein zu schärfen für die Geschichte, die unsere Gegenwart beeinflusst und die als Mahnung für die Zukunft gelten soll. Das Memorial-Projekt muss aufzeigen, was tief verankerter Antisemitismus auslösen kann, nämlich, dass man grundlegende menschliche Werte ignoriert.