Video 21. Mai 2021, von Christa Amstutz Gafner, Vera Kluser

Eine Extrafahrt für neue Visionen

Jugendarbeit

Während vier Tagen rollte der Jugendzug durch die Schweiz. In der kirchlichen Jugendarbeit engagierte Leute lernten sich dort kennen und diskutierten über neue Angebote.

Das Perron zum Gleis 4 in Biel ist ziemlich bevölkert an diesem Samstag, obwohl kein Zug nächstens abfahren wird. Vor allem Männer, zum Teil mit der Familie im Schlepptau, warten auf den Extrazug aus Interlaken. Als dieser um 13.49 Uhr einfährt, werden rundum Handys und Kameras gezückt.  

Unter den Bahnfans hat die erste Extrafahrt seit Ausbruch der Pandemie und die erste mehrtägige Extrarundfahrt in der Schweiz überhaupt Begeisterung ausgelöst. Die Trainspotter-Community begleitet den Jugendzug der reformierten Zür-cher Kirche an jedem Halteort.

Die Komposition des Extrazugs: ein DDR-Speisewagen mit Jahrgang 1984, zwei SBB- und BLS-Erstklasswagen aus den 60er- und 70er-Jahren. Alle gemietet vom aargauischen Dampflokverein 241-A-65. Die Lokomotive kommt vom Bahnunternehmer Pierre Widmer, der sie streckenweise auch selber fährt.   

Bitte einsteigen: Fahren Sie in unserer Video-Reportage mit dem Jugendzug von Zürich nach Luzern und geniessen Sie den Ausblick von der Lok.

Spiele und viel Lobpreis

Die jungen Leute, die aus dem Zug steigen, werden spätabends mit ihm auch wieder nach Interlaken zurückfahren. Bis dahin erhalten die Passagierinnen und Passagiere an diesem dritten von vier Rundfahrttagen einen weiteren Einblick in die reformierte Jugendarbeit.  

Gestartet im Hauptbahnhof Zürich, fuhr der Zug an Auffahrt vom Zürcher ins Berner Oberland, am Tag darauf von der Basisstation Interlaken nach Aarau – immer mit Begegnungshalten. Gastgeberin in Biel nun ist Jahu. Die Glaubensgemeinschaft ist zwar Mitglied der reformierten Berner Landeskirche, zugleich jedoch selbstständig und charismatisch unterwegs. Im Kanton Bern führt sie zwei Privatschulen für die Primar- und Sekundarstufe und bietet auch eine zehnmonatige Ausbildung für kirchliche Jugendleiter aus aller Welt an.

Bei Jahu gibt es Sandwiches für die Jugendzug-Gäste, witzige Spiele, einen Predigttalk und viel poppigen Lobpreis. «Es war anders, als was wir bisher gesehen haben», sagt Daniela Züst. Für einige vielleicht etwas viel Worship, «aber die Stimmung war offen und inspirierend».

Von der Tagung auf Schienen ist die Praktikantin beim Cevi Gossau begeistert. Nicht nur an den Stationen unterwegs, sondern auch im Zug hätten spannende Begegnungen und Workshops stattgefunden. «#MeToo zum Beispiel war herausfordernd», sagt Züst. Zum Workshop über Genderfragen mit vertieftem Lesen von Bibeltexten hatte die Gruppe aus Uster eingeladen. 

Die Kirchgemeinde Wädenswil präsentierte die Handy-App «SmartFarm», die kenianischen Kleinbauern tiermedizinische Beratung und Marketingtipps bietet. Zudem gab es Einführungen zu Escape-Room-Spielen oder zur neuen Jugendleiterausbildung der Landeskirche, zu einem erfolgreichen nicht kirchlichen Musiklager und zahlreichen anderen Projekten.

Schlafwagen kommt noch

Die Idee einer rollenden Tagung für junge, in der kirchlichen Jugendarbeit engagierte Erwachsene kommt von Bernhard Jäggle. Der Jugendarbeiter der reformierten Kirche Egg und Maur freut sich jetzt schon auf den Jugendzug 2022.  

Sein Herzensprojekt ist wegen Corona dieses Jahr etwas klein geraten. Künftig sollen 100 statt 50 junge Leute in den Zug steigen und dort auch schlafen, essen und auf dem Weg zum Lokaltermin mit den Gastgebern diskutieren. Jäggle ist überzeugt: «Der rollende Zug, die vorbeiziehende Landschaft, Begegnungen und Gespräche bringen vieles in Bewegung.»