Dabei gibt es verschiedene Manifestationstricks. Einer, der besonders häufig genannt wird, geht auf den Physiker Nikola Tesla (1856–1943) zurück. Der Wunsch soll dreimal am Morgen, sechsmal am Mittag und neunmal am Abend aufgeschrieben werden, für mindestens 21 Tage. Besonders wichtig dabei: sich so verhalten, als wäre das Manifestierte bereits Realität.
Humbug, Aberglaube oder eher ein neues, tiefes gesellschaftliches Verlangen nach Spiritualität? «Sicher ist im Trend ein Wunsch nach Transzendenz zu erkennen», sagt der Theologe und Co-Leiter des RefLab der Zürcher Landeskirche Manuel Schmid. Parallelen zum Glauben seien unübersehbar; nur, dass an die Stelle von Gott das Universum tritt. Während es im Gebet heisst «dein Wille geschehe», wird daraus «mein Wille geschehe».
Die Idee, die Realität durch positives Denken zu beeinflussen, kennt Schmid auch aus pfingstlich-charismatischen Kreisen. «Es gibt Prediger, die reden einem ein, dass sogar Krebs geheilt werden kann, wenn man sich nur genug einredet, gesund zu sein.» Dabei wäre es – bei unbestrittener Kraft des positiven Gedankens – genauso wichtig, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Den «naiven» Internethype hält Schmid für eine «oberflächliche Fixierung auf Erfolg und Wohlstand». Im Zentrum stehe eine komplett materialistische Sichtweise auf das Leben, dazu gehöre auch die Suche nach dem idealen Partner oder der Partnerin.
Eine Recherche auf TikTok bestätigt diese Haltung. Da begegnet einem etwa die amerikanische Influencerin Liz The Wizard mit fast sechs Millionen Followern: «Du bist reich, du kannst dir alles erfüllen, was du haben willst, sei es ein Ferrari oder eine Million auf deinem Konto», sagt sie selbstbewusst und perfekt geschminkt in die Kamera. Bemerkenswert daran sei insbesondere, dass bisher kaum ein Coach die Frage stelle, wie ein erfülltes Leben gelingt, das nicht nur persönlichen Erfolg, sondern auch einen positiven Beitrag für den Planeten und die Menschheit leistet, kommentiert Schmid das Video.
Neu ist der Trend, der sich im Internet explosionsartig ausgebreitet hat, nicht. Eine Art Manifestationsfibel ist das bereits 2006 erschienene Buch «The Secret» von Rhonda Byrne. Es wurde zum Weltbestseller, übersetzt in 50 Sprachen, mit einer Druckauflage von über 25 Millionen Exemplaren. Die Autorin soll hoch verschuldet gewesen sein, bevor sie dank der Methode zur Millionärin aufstieg.