Kultur 03. April 2024, von Isabelle Berger

Damit es nie brennt wie in Paris

Kulturgut

Nach dem Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame ergriff die Stiftung Berner Münster neue Brandschutzmassnahmen. Im Zuge dessen wurden auch gleich die Glocken neu intoniert.

Silvester 1943. Adolf Geissbühler hat einen über den Durst getrunken – und muss zum Dienst. Das endet tödlich: Ein Glockenklöppel erschlägt den Berner Münster-Glöckner. Das bedeutete das Ende des Handläutens im Münster. 1944 ersetzte eine elektrische Steuerung die 19 Glöckner, die es vorher für ein volles Geläute brauchte: ein Meilenstein in Sachen Sicherheit. Jetzt, vor wenigen Wochen, sind die betagten elektrischen Installationen ersetzt worden und deshalb noch sicherer. Diesmal geschah es wegen des Brandschutzes.

Notre-Dame rüttelte auf

«Bereits 2004 überarbeiteten wir unser Brandschutzkonzept», sagt Münsterbaumeisterin Annette Loef­fel. Der tragische Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris vor bald fünf Jahren legte dann eine erneute Überarbeitung nahe. «Eventuell verursachte ein Kurzschluss den Brand», sagt Loeffel.

Der Ersatz der alten Elektrik im Münster ist die direkte Folge des Brands in Notre-Dame.
Annette Loeffel, Münsterbaumeisterin

Sie ist Präsidentin des europäischen Dombaumeistervereins und steht im Austausch mit den französischen Experten, die für den Wiederaufbau zuständig sind. Kürzlich besuchten diese das Berner Münster. Hier habe es 2008 wegen eines veralteten Motors im Heizungskeller ebenfalls gebrannt, erklärt Loeffel. Der Brand sei zum Glück rechtzeitig entdeckt worden. Der Ersatz der alten Elektrik im Münster sei die direkte Folge der Brandkatas-trophe in Paris. Das Geläut erhielt Motoren, Leitungen und eine Absicherung, die dem aktuellen Brandschutzstandard entsprechen.

Die Verantwortlichen des Münsters erstellten mit der Gebäudeversicherung des Kantons Bern und den Blaulichtorganisationen auch einen Katalog aller Brandschutzmassnahmen. Dazu gehört zum Beispiel der Ersatz alter Feuerlöscher und Löschdecken. Unhandliche Löschschläuche werden durch Schlauchkassetten der Feuerwehr ersetzt. Überdies wurden bauliche Massnahmen getroffen, so der Einzug einer Brandschutzdecke über dem Glockenstuhl, die im Brandfall die darüberliegenden Räume schützen soll, die Räume der ehemaligen Turmwartwohnung also.

Russ wird beseitigt

Russ wird beseitigt

Seit 2021 restauriert die Münsterbauhütte das Mittelschiffgewölbe des Berner Münsters. Es geht unter anderem um das Entfernen von Russ. 1871 baute man eine Warmluftheizung unter dem Chor ein, die mit Kohle betrieben wurde. Diese hinterliess ihre dunklen Spuren auf den Wandflächen aller Gewölbe im Münster, die nun seit 2014 etappenweise gereinigt werden. Darüber tauschten sich französische Experten mit jenen aus Bern aus, denn in Paris steht man wegen des Grossbrands von Notre-Dame vor ähnlichen Herausforderungen. Aktuell sichern die Berner Fachleute zudem Metallauflagen aus Gold und Zinn sowie die Bemalung an den Schlusssteinmedaillons. Ende 2024 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, Anfang 2025 kommt das Gerüst weg, so dass das Gewölbe im Mittelschiff wieder bestaunt werden kann.

Auch Organisatorisches gehört zum Konzept, so die Alarmierungskette und die Schulung aller Beteiligten vom Münsterpersonal bis zur Feuerwehr. Was fehlendes Wissen bedeuten kann, illustriert Loeffel am Brandalarm 2008: «Es war ein falscher Schlüssel im Spiel, und unsere Leute mussten der Feuerwehr zeigen, wo der Keller ist.»

Die Glocken erklingen neu

Der Verlust oder die Beschädigung von wertvollen Kunst- und Kulturgütern wie in Notre-Dame soll sich in Bern nicht wiederholen. Der Glockenstuhl etwa und der Klang der Glocken wären nicht rekonstruierbar, sagt Glockenexperte Matthias Walther. Nach dem Ersatz der Elektroinstallationen ist er zuständig für die Neuintonierung des Geläuts. Der Berner Glockenbestand sei einer der «drei bis fünf bedeutendsten Europas», was Grösse, Vielfalt und den historischen Wert der Glocken betreffe, so Walther. Zudem harmonierten die Glocken aus sieben verschiedenen Jahrhunderten klanglich ausgezeichnet.

Dies soll nach der Brandschutzsanierung, während der die Glocken zwei Wochen lang schwiegen, wieder zum Tragen kommen. Walther hat dazu den Läutwinkel jeder Glocke neu eingestellt, was sich mit der neuen Steuerung nun ganz präzise bewerkstelligen lässt. Das schont die Glocken und ebenso den Klöppel, zudem kann auch der Klang optimiert werden.