Notre-Dame wurde in zwei Jahrhunderten erbaut. Präsident Emmanuel Macron hatte versprochen, Notre-Dame innert 5 Jahren wieder aufzubauen. Jetzt sollen es 20 werden. War Macrons Versprechen Grössenwahn oder sind wir heute technisch so viel weiter?
Pascale Guignard: Natürlich kann man heute mit einem Pneukran ein Dachgestühl einfach hochheben oder mit zwei Helikoptern etwas in der Werkstatt Vorgefertigtes aufsetzen – das Tempo ist heute ein anderes. Sicher hätte es zeitgemässere und noch schneller realisierbare Lösungen gegeben. Auch aus Holz: beispielsweise in der Form verleimter Brettschichtträger statt mit Balken aus ganzen Baumstämmen. Man kann sich bei dieser Restauration schon fragen, ob es wirklich nötig ist, den Dachstock möglichst originalgetreu zu reparieren und dafür 1000 alte Eichen zu fällen.
Wird hier also an der falschen Stelle denkmalgeschützt?
Klar muss man das Steingewölbe reparieren, damit es statisch wieder hält. Aber das ergibt ja dann den von innen her einsehbaren Kirchenraum. Darüber braucht es eine Konstruktion für ein Dach mit Ziegeln oder sonst eine Abdeckung, welche die Innenräume vor Wetter und Regen schützt; optisch ist der Dachstock also nicht sichtbar, sondern hat die technische Funktion, das Dach zu halten. So war das von Anfang an gedacht. Die geplante Rekonstruktion leuchtet mir darum nicht ein: Solche Kathedralen sind über die Jahrhunderte immer weitergebaut worden, und immer haben die Baumeister dafür auch die aktuelle Technik angewendet.
Wie soll man überhaupt mit einem solchen Schaden umgehen?
Für mich gibt es zwei unterschiedliche Arten der Zerstörung. Wenn wie in Paris während einer Renovation der Funke springt, also ein Baustellenunfall der Grund ist. Auch wenn der Brand noch so spektakulär war, ist ein Missgeschick die Ursache, muss man das der Nachwelt architektonisch nicht vermitteln, dafür braucht es kein sichtbares Zeichen.