Auf dem Weg zu Stätten, die berühren

Kirche und Tourismus

Kirchliche Orte wie das Kloster St. Johann in Müstair sind beliebte Reiseziele. Immer mehr entdeckt der Tourismus die Kirche – und diese die Möglichkeiten, im Tourismus.

Manche sehen in ihm das Ende der Schweiz, andere das Tor zu Europa: im Münstertal – oder in der Val Müstair, wie es die Einheimischen in rätoromanischer Sprache nennen. Es liegt östlich des Ofenpasses in Graubünden und erstreckt sich bis ins italienische Südtirol.

Allein die Reise dahin ist ein Erlebnis. Am besten beginnt man sie in Zernez im Engadin und lässt sich im Postauto schön gemütlich über den Ofenpass chauffieren, durch den Nationalpark entlang steil abfallender Schluchten, wilder Flüsse. Hier lässt der Chauffeur Gämsen, die die Passstrasse queren, den Vortritt.

Nach anderthalb Stunden ist das Ziel erreicht, das über 1250-jährige Benediktinerkloster St. Johann in Müstair, der östlichsten Ortschaft der Schweiz. Seit 1983 steht es auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco, ebenso wie der Taj Mahal in Indien oder Machu Picchu in Peru.

Ein wirtschaftlicher Faktor

Reisen, historische Kirchengebäude und Spiritualität: Diese Kombination ist beliebt, touristische wie kirchliche Akteure sind sich dessen zunehmend bewusst und sorgen für  entsprechende Angebote. So hat die Stiftung Pro Kloster St. Johann in den letzten Jahrzehnten 80 Millionen investiert, damit das geschichtliche Erbe des Klosters erhalten und zeitgemäss vermittelt werden kann. 

Das Kloster ist lebendig, kein leerer Bau, der touristisch ausgebaut wurde.
Romina Ebenhöch. Museumsdirektorin und Kunsthistorikerin

Dies spielt auch für die wirtschaftliche Entwicklung der Region eine Rolle. Jedes Jahr besuchen durchschnittlich 45'000 Menschen das Kloster, das auch eine international angesehene Forschungsstätte ist.

«Das Kloster ist lebendig, kein leerer Bau, der touristisch ausgebaut wurde», bringt es die Museumsdirektorin und Kunsthistorikerin Romina Ebenhöch auf den Punkt. Die Kombination von tradiertem Klosterleben, bestens erhaltenen Artefakten und der unverbauten Natur, in die das Klostergelände eingebettet ist, fasziniere Touristinnen und Touristen unterschiedlichster Art.

Die Geschichten dahinter

Zum Beispiel den «militanten Agnostiker», wie sich ein Gast aus dem nahe gelegenen Engadin bezeichnet. Er hat sich einen Ausflug hierher zum Geburtstag gewünscht. Es sei nicht sein erster Besuch in diesem Kloster, sagt er, während er mit seiner Frau auf den Beginn der Klosterführung wartet.

Ihn beeindrucken die Geschichten hinter diesen Mauern. Als Liebhaber von Kunst und Architektur erachtet er es als wichtig, dieses Erbe für künftige Generationen zu erhalten. Unter den Gästen ist auch ein deutsches Rentnerpaar. Die beiden sind hier, weil das Kloster zur «Grand Tour of Switzerland» gehört. Dieses Angebot von Schweiz Tourismus führt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten im ganzen Land.

Es gehören verschiedene Zutaten dazu.
Romina Ebenhöch. Museumsdirektorin und Kunsthistorikerin

Für Museumsdirektorin Ebenhöch ist der Erfolg eines touristischen Angebots vergleichbar mit dem Zubereiten eines schmackhaften Gerichts: «Es gehören verschiedene Zutaten dazu.» Welche dies sein könnten, wird gegenwärtig im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht, das die Kirche in Zusammenarbeit mit der Theologischen Hochschule Chur durchführt.

Mit wissenschaftlichem Blick betrachtet auch eine junge Biologin, die sich den Besuch im Kloster schon lange vorgenommen hat, die Fresken aus der Nähe. Dann begibt sie sich in die Rosenkranzkapelle, um dort einen Zettel mit einem persönlichen spirituellen Anliegen an die Wand zu heften. 

Die Klosterfrauen werden ihn mit all den anderen Bitten um Gesundheit, Erfolg und Frieden wie immer in ihre Stundengebete einbeziehen.