Recherche 16. Mai 2019, von Sabine Schüpbach Ziegler

Eine neue Kirche für Hirzenbach

Bauprojekt

Die alte Kirche soll einem neuen, multifunktionalen Gebäude weichen. Damit möchte die Gemeinde noch mehr Menschen erreichen.

Thomas Bucher, Kirchenpflegepräsident von Zürich-Hirzenbach, steht im Innenhof der Stefanskirche und sagt: «Die Kirche gleicht einer Festung. Wenn drinnen 200 Leute feiern, merkt das draussen niemand.» Das geplante neue Gebäude solle zugänglicher gestaltet werden. Eine verkehrberuhigte Piazza vor der Kirche ist angedacht.

An Fusion nicht beteiligt
Am 14. April stimmte die Kirchgemeindeversammlung dem Planungskredit von 1,93 Millionen Franken einstimmig zu. Bis 2023 will die Gemeinde, die bei der Fusion zur gesamtstädtischen Kirchgemeinde Zürich nicht mitgemacht hat (Kasten unten), das Gebäude bauen. Die Stefanskirche aus den Fünfzigerjahren soll abgerissen werden.

Kirchenpflegepräsident Bucher sagt: «Die neue Kirche soll Gott für die Menschen mit allen Sinnen erfahrbar machen.» Das sei mit einem neuen Stil von Kirche einfacher. Die von 1953 bis 1955 erbaute Stefanskirche könnte abgerissen werden. Sie steht weder unter Denkmalschutz, noch ist sie im Inventar der schützenswerten Bauten und Anlagen der Stadt aufgeführt. Somit wäre auch der Stadtzürcher Heimatschutz nicht legitimiert, sich für ihren Erhalt einzusetzen.

Opposition gegen den Abriss ist nicht in Sicht. Auf den Kunsthistoriker und früheren Denkmalpfleger Urs Baur wirkt die architektonische Anlage der Stefanskirche gar «verknorzt». «Für einen längsgerichteten Kirchenraum, der sich auf den Chor hin mit Kanzel und Abendmahltisch verengt, passt der sechseckige Zentralbau schlecht.»

Konzept noch in Arbeit
Der neue Kirchenraum soll «multifunktional» genutzt werden. Was für Veranstaltungen nebst Gottesdiensten darin stattfinden werden,  ist noch offen. Bald will die Gemeinde eine Baukommission einsetzen, die bis Ende Jahr das Programm für den Architekturwettbewerb ausarbeitet. Vorbilder für das neue Gebäude gibt es laut Bucher kaum.
Er erklärt, dass der Bau wie mit dem vor gut drei Jahren eröffneten Lokal «Coffee & Deeds» zum Quartierleben beitragen möchte. Im Lokal gibt es nebst Kaffee, Kuchen und Suppe wöchentliche sozialdiakonische Angebote wie Aufgabenhilfe, Fitness- und Deutschkurse.

«Ausserdem wollen wir unser Profil der Beteiligungskirche weiter stärken», sagt der Kirchenpflegepräsident. Damit ist eine Kirche gemeint, die möglichst vielen Menschen ermöglicht, sich nach ihren Fähigkeiten einzubringen. In der Gemeinde mit  1700 Mitgliedern engagieren sich 250 Freiwillige; 120 Personen besitzen einen Schlüssel zum Kirchgemeindehaus – eine sehr hohe Zahl. 

Kirchenlabor mit Visionen
Und bald soll der Neubau laut Bucher «für noch viel mehr Menschen eine ganzheitliche Heimat werden». Erste Ideen dafür wurden bereits seit zwei Jahren im «Church Lab» («Kirchenlabor») der Gemeinde entwickelt. Der Sozialdiakon Marcel Grob und fünf Freiwillige arbeiten mit «Design Thinking», einer aus der Wirtschaft stammenden systematischen Herangehensweise an komplexe Probleme. «Der Neubau soll für Menschen aus dem Quartier zugängliche Plattformen schaffen», sagt er. Bald werde ein breites Mitwirkungsverfahren gestartet.

Die geplanten Wohnungen sollen laut Grob nicht nur eine Querfinanzierung darstellen, sondern auch gemeinschaftliches Wohnen fördern. Finanzieren will die Gemeinde den 27 Millionen Franken teuren Neubau aus 6 Millionen Franken Eigenmitteln, Krediten sowie Unterstützung und Spenden von Mitgliedern und Zugewandten.

Längerfristige Zukunft offen
Nicolas Mori, Mediensprecher der Landeskirche, zollt dem Projekt Respekt. «Es ist zweifelsohne faszinierend.» Er weist aber darauf hin, dass die vermögensrechtliche Situation der Kirchgemeinde nach der Auflösung des Stadtverbandes noch nicht abschliessend geklärt sei. «Von daher mahnt der Kirchenrat auch zur Zurückhaltung.»

Zur längerfristigen Einbettung in die neue städtische Kirchgemeinde etwas zu sagen, sei jetzt noch zu früh, so Bucher. Das theologische Profil seiner Gemeinde bezeichnet er als «intensiv evangelisch». Sozialdiakon Grob will «authentisches Christsein leben», sieht es jedoch  nicht als seine Aufgabe an, andere Menschen zu bekehren. «Das kann nur Gott.»

Perspektive bis 2023

Anfang 2019 fusionierten 32 Stadt­gemeinden zur Kirchgemeinde Zürich. Mit den Kirchgemeinden Zürich-Hirzenbach und Zürich-Witikon, die sich nicht beteiligten, traf die Kirchgemeinde Zürich eine Vereinbarung. Gemäss dieser partizipieren Hirzenbach und Witikon für die Übergangszeit bis maximal 2023 wie bisher am Steuerertrag. Die Liegenschaften bleiben ihr Eigentum und sie dürfen weiterhin Dienstleistungen der Kirchgemeinde Zürich nutzen. Das Vermögen des Stadtverbandes wurde anteilsmässig ausgezahlt. Die Vereinbarung soll den Boden legen für eine mögliche künftige Vereinigung nach 2023.