Recherche 25. April 2016, von Katharina Kilchenmann

Auf dem Weg zur «Pfafföse»

ITHAKA

Fortsetzung folgt: Barbara Ruchti auf dem Weg zur «Pfafföse». Sie studiert Theologie an der UNI Bern und findet: «Studieren ist ein Chrampf.»

Von wegen «lustiges Studentenleben». Wer in vier Jahren Pfarrerin werden will, muss ganz schön Gas geben. Zu diesem Schluss kommt Barbara Ruchti nach dem ersten Semester an der Theologischen Fakultät. Der Schwerpunkt lag bei den alten Sprachen, Hebräisch hat sie bereits abgeschlossen. «Natürlich braucht man als Theologin den Zugang zu den Schriften in der Originalsprache. Aber meine Begeisterung für den Riesenaufwand war einigermassen klein.»

Vom Profi zur Anfängerin. Jetzt, im zweiten Semester, liegen 2000 Jahre Kirchengeschichte vor ihr. Ruchtis Augen leuchten: ein Fest! Einen Einblick zu bekommen in die Geschichte des Christentums, in die Biografien der Kirchenväter und der Mystiker und in die Glaubenszeugnisse in der Architektur, der Kunst und Musik, sei ein Riesenprivileg. «Angesichts der Materialfülle muss man aber auch eine gewisse Gelassenheit und Demut entwickeln», meint Ruchti. «Sonst denkt man schnell: Das schaffe ich nie.»

Überhaupt fällt ihr der Rollentausch vom Profi zur Anfängerin nicht immer ganz leicht. «In den vergangenen Jahren im Berufsleben als Sozialtherapeutin war ich eine erfahrene Berufsfrau. Ich fühlte mich kompetent und konnte überall mitreden. Nun stehe ich als Greenhorn vor so viel neuen Informationen und muss konstatieren: Eigentlich weiss ich nichts.» 

Der Einstieg war happig. Natürlich weiss die Soziologin mit Lizenziatsabschluss schon einiges. Und sie hat erfolgreiche Lernstrategien und kann ihre Zeit einteilen. Dennoch sei der Einstieg für sie immer noch «happig», erzählt sie. Für alles brauche sie viel Zeit, müsse das Gelernte wiederholen und sei auch in den Semesterferien praktisch nur am Lernen. «Studieren ist ein Chrampf. Früher habe ich auch viel gearbeitet, aber nie so viel wie jetzt. 60-Stunden-Wochen sind der Normalfall.»

Mittagspause im Platanenhof. Aber ihr Einsatz lohnt sich, und auch der Alltag funktioniert. Die ersten Prüfungen hat sie bestanden, das Geld reicht (knapp), und in das Leben als Studierende findet sie sich mehr und mehr ein. «Mittags treffe ich mich manchmal mit meinen Mitstudierenden, spannende Menschen mit viel Lebenserfahrung. Wir essen und plaudern wenn immer möglich draussen im lauschigen Platanenhof an der Unitobler – ein schöner Ausgleich zum einsamen Lernen zu Hause.»

Ihre Freunde findens gut. Unterstützung bekommt Barbara Ruchti von den unterschiedlichsten Seiten. Ihr Götti zum Beispiel überweist ihr monatlich hundert Franken. «Für mich ist das viel Geld im Moment.» Überhaupt sei in ihrem Umfeld die anfängliche Skepsis, dass sie Pfarrerin werden wolle, verschwunden. Anfangs hörte sie noch Sätze wie «Ah, jitz hesches plötzlech mitem Tschiises.» Das sei aber vorbei. «Die Leute interessieren sich für mein Studium, und ich bin erstaunt, wie viele über Gott und Religion reden wollen. Das scheint einem grossen Bedürfnis zu entsprechen.»

Seelsorgerin in spe. In dreieinhalb Jahren könnte sie schon im Pfarramt sein. Sie freut sich, Gottesdienste zu gestalten und den Menschen in schwierigen Lebenssituationen beizustehen. Eine Freundin habe sie kürzlich um ihren theologischen Rat als «Pfafföse», wie sie es nannte, gebeten. Da habe sie zum ersten Mal überlegt, was sie wohl als professionelle Seelsorgerin sagen würde. «Zum Glück dauert es noch etwas, bis ich eine richtige Pfafföse bin.»