Sie wirkt entspannt, wirbelt durch die charmante Altbauwohnung im Berner Breitenrainquartier, rückt noch rasch den Hometrainer im Wohnzimmer zurecht, stellt die Vase mit den Pfingstrosen auf den Küchentisch und setzt Kaffee auf. «Ich bin froh, dass der Druck von der Uni, mit Vorlesungen und Prüfungen, nachgelassen hat», sagt Barbara Ruchti. «Zum ersten Mal seit bald drei Jahren habe ich zwischendurch auch mal ein paar Tage frei. Das ist grossartig, umso mehr ich ja nicht mehr Single bin.» Sie schmunzelt vielsagend und erzählt, dass sie nach dem ersten Artikel in «reformiert.» im Sommer 2015 von einem sympathischen Mann darauf angesprochen worden sei. «Wir kannten uns vom Sehen, aber Kontakt hatten wir vorher nicht. Von da an begegneten wir uns immer wieder, und seit einem Jahr sind wir nun ein Paar.»
Vielseitiges Studium
Die dreiundvierzigjährige ehemalige Betreuerin im Justizvollzug hat drei strenge Jahre hinter sich. Im Rahmen des Intensivstudiums für Akademikerinnen Ithaka (refbejuso.ch/ithaka) musste sie erstmal Altgriechisch und Hebräisch büffeln, sich dann in 2000 Jahre Kirchengeschichte einarbeiten, die Bibel wissenschaftlich erkunden und sich in die Fächer Religionspädagogik, Seelsorge und Liturgik vertiefen. «Alle paar Monate musste ich neben dem Universitätsbetrieb eine Arbeit schreiben, und dann standen wieder Prüfungen an. Da bleibt für nichts anderes Zeit.» Natürlich habe das auch seine guten Seiten, meint sie trocken. «Ich hatte sowieso kein Geld für Freizeit oder Ferien, also war mir die Situation ganz recht.»
Lust aufs Praktische
Bald bekommt Barbara Ruchti nun den ersten Lohn als Vikarin. Im Sommer startet sie nämlich den praktischen Ausbildungsteil, das sogenannte Lernvikariat bei einer Pfarrerin in Langenthal. «Ich habe etliche Gottesdienste besucht, bis ich die passende Pfarrperson fand. Eine, bei der ich mich getraue, all meine Anfängerfragen zu stellen und vieles auszuprobieren.» Ihre «Lehrmeisterin» sei eine, die ihr Amt sehr aktiv gestalte und ihre Gottesdienste regelrecht inszeniere. «Das möchte ich lernen. Und ich möchte herausfinden, was für ein Typ Pfarrerin ich bin.»
Schon jetzt darf man annehmen, dass Ruchti sich als Pfarrerin vor den grossen Fragen des Lebens und Sterbens nicht scheuen wird. Eben hat sie eine nahe Freundin bei ihrem Freitod mit Exit begleitet. «Ihren Prozess bis zur Entscheidung mitzuerleben, war hart», erzählt sie. Und der Abschied und Tod seien unglaublich berührend gewesen. «In diesen letzten Momenten ist noch so viel passiert, so viel Leben. Diese Erfahrungen werden mich begleiten, auch als Pfarrerin.»