Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als Europa grosse Teile Afrikas und Asiens kolonisiert hatte, bildete sich der Typus des klassischen Weltreisenden heraus: Was man politisch und wirtschaftlich beherrschte, wollte man auch persönlich kennenlernen, falls man es sich finanziell leisten konnte.
Zu einer besonders beliebten Destination entwickelte sich Palästina, das Heilige Land mit den Wirkungsstätten Jesu also. Viele wollten die Orte sehen und das Land erleben, das für ihren Glauben prägend war. Mehr religiös als politisch motiviert unternahm der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1898 eine offizielle und pompös inszenierte Palästina-Pilgerfahrt zur Einweihung «seiner» Erlöserkirche in Jerusalem.
Arbeit auf hoher Warte
Schon damals entdeckten Leute den Tourismus als Business. So etwa der deutsche Fotograf Bruno Hentschel (1866–1944/45), der in Jerusalem Reisende mit Erinnerungsfotos versorgte. 1897 erhielt er den Auftrag, zur Einweihung der mit deutschem Geld erbauten Erlöserkirche von deren Turm aus ein Panoramabild der Heiligen Stadt anzufertigen.
Elf grosse Originalabzüge zwischen zwei Buchdeckeln liessen sich als Leporello auf über drei Meter ausfalten. Eine Ausgabe dieses Buches, von welcher heute weltweit vermutlich kaum mehr als 15 Exemplare existieren, hatte es dem pensionierten Berner Pfarrer Christoph Knoch schon als Bub angetan. «Es gehörte meinem Grossvater, ich habe es, wenn ich bei ihm zu Besuch war, immer wieder hervorgenommen, auseinandergefaltet und betrachtet», erzählt er. Nach dem Tod seines Grossvaters ging das Buch in seinen Besitz über.
Diesmal ist es ein Bildband
Jetzt gibt es eine Neuauflage des Jerusalem-Panoramas. Aufgenommen wurde es von Christoph Knoch, der die Stadt bestens kennt, auch aufgrund eines Studienjahrs in der katholischen Dormitio-Abtei in den 1970ern. Diesmal ist es kein Leporello, sondern ein Bildband, angereichert mit erläuternden Texten. «Über den Kuppeln von Jerusalem» heisst das Gemeinschaftswerk von Christoph Knoch und dem Historiker Jakob Eisler.
Es gibt nicht nur den heutigen Rundblick vom Turm der evangelischen Erlöserkirche wieder, sondern auch jenen von der katholischen Dormitio-Abtei – und stellt heutige Aufnahmen den Bildern Hentschels von 1898 und denen eines unbekannten Fotografen von 1910 gegenüber.