Damit es nicht nur um Medaillen geht

Kirche und Sport

Auch die Kirchen haben ihren Auftritt an der Ski_WM in St. Moritz. In der Glitzerwelt des Sports denken sie nach über Licht und Vergänglichkeit.

Leuchtet der schiefe Kirchturm von St. Moritz während den Ski-Weltmeisterschaften, die vom 6. bis am 19. Februar stattfinden, plötzlich hell auf, dann hat irgendjemand in der Schweiz eine Botschaft auf #stmoritzshine getwittert.

Die Kurzmitteilung ist vielleicht ein Kommentar zum Motto «Licht und Vergänglichkeit», eine Bemerkung zum Spitzensport, oder ein Gedanke über das Dasein im Scheinwerferlicht und das Leben im Dunkeln.

Visuelles Zeichen setzen. «Wir wollten das Bibelwort ‹Ihr seid das Licht der Welt› ernst nehmen», sagt Barbara Grass. Sie leitete früher die Fachstelle Kirche und Tourismus der reformierten Kirche Graubünden und ist nun Projektleiterin des Auftritts der evangelischen und katholischen Landeskirchen. Der leuchtende Kirchturm sei ein visuelles Zeichen, wenn sich Menschen vom Bibelwort angesprochen fühlen und über das Leben nachdenken.

120 000 Franken, immerhin den Jahreslohn eines Pfarrers, sammelten die Organisatoren von kirchlichen und privaten Sponsoren. «Wir standen vor der Alternative: Entweder machen wir etwas Auffälliges und investieren einen entsprechenden Betrag, oder wir machen gar nichts», sagt Barbara Grass. Mit wenig Aufwand, das zeige die Erfahrung von anderen Grossanlässen, gehe das Engagement der Kirchen schnell einmal unter. Neben dem leuchtenden Kirchturm gehören eine Lichtinstallation und ein Eröffnungsgottesdienst mit Podiumsdiskussion zum Projekt.

Von Erfolg und Misserfolg. Alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, die am Podium teilnimmt, findet es gerechtfertigt, dass die Kirchen an einem Sportanlass Sinnfragen thematisieren. «Es geht um die Frage, wie man sich erdet, um sich von Höhen nicht allzu sehr davontragen und von Tiefen nicht hinunterreissen zu lassen.» Das Thema Licht und Vergänglichkeit spiele an auf Erfolg und Misserfolg, auf Menschen, die im Rampenlicht stehen, und die Gefahr, schnell in Vergessenheit zu geraten. «An einem Sportanlass wie den Ski-WM ist das sehr aktuell.»

Nicht alle finden den Auftritt der Kirchen gut angelegtes Geld. Der ehemalige SP-Grossrat und Pfarrer Romedi Arquint aus Chapella begrüsst zwar, dass die Landeskirchen sich am Grossanlass engagieren. «Die Ausgaben für dieses Engagements stehen aber in keinem Verhältnis zu den nicht erfüllten Verpflichtungen, welche die Kirchen etwa gegenüber Flüchtlingen und der Situation in der Dritten Welt haben.» Auch dass die Freikirchen, die als Erste die Ski-Marathongottesdienste im Engadin veranstaltet hatten, vom Konzept ausgeschlossen wurden, gefällt Arquint nicht.

Die Pioniere ausgeschlossen. Auch Projektleiterin Barbara Grass wünscht sich, dass Christen in Zukunft noch stärker konfessionsübergreifend agieren. Für sie ist dieser Aspekt eines von mehreren Themen, die für künftige Grossanlässe berücksichtigt werden müssten. «Nach der sorgfältigen Auswertung des Projektes werden wir auch darüber sprechen, ob solche Grossanlässe in den Auftrag der kirchlichen Verkündigung gehören.» Denn wenn die Präsenz der Kirchen nicht auch strategisch auf eine dauerhafte Basis gestellt werden kann, so ist Barbara Grass überzeugt, dann bleibt ihr Auftritt an den Weltmeisterschaften in St. Moritz wohl nur eine Eintagsfliege.