Eine Kammer erzählt von trüben Zeiten

Glauben

Immer, wenn der Kopfgeldjäger anrückte, floh der gesuchte Religionsdissident Christen Fankhauser in ein geheimes Gelass. Das Täuferversteck in Trub ist das letzte seiner Art.

In der Talschaft Trub steht im Hüttengraben ein Bauernhaus, dessen Balken die Jahrhunderte dunkel gefärbt haben. Zum Anwesen Hinter Hütten gehören auch die für einen Emmentaler Bauernhof charakteristischen Zusatzgebäude, zudem ein üppig gedeihender Garten.

Auf den zweiten Blick wirkt das Haus nicht typisch fürs Emmental, Formen und Proportionen sind etwas ungewohnt. Tatsächlich enthält das 1608 errichtete Haus Elemente der waldensischen Bauweise. Die Waldenser, eine in Frankreich entstandene und immer wieder verfolgte Glaubensgemeinschaft, lebten lange vor der Reformation bereits protestantische Grundsätze.

Mit dem Hof Hinter Hütten verbindet sich aber vorab die Geschichte der Täufer, einer anderen verfolgten Christengemeinschaft. Im Haus befindet sich das einzige noch erhaltene Täuferversteck der Schweiz.

Geschichte und Geschichten

Regula und Simon Fankhauser, die den Hof bewirtschaften, erhalten dieses historische Erbe und machen es der Öffentlichkeit zugänglich. In der dazugehörigen Ausstellung ist viel über die politische, kulturelle und religiöse Situation zur Reformationszeit zu erfahren, aber auch einiges über das Schicksal von Menschen, die im 18. Jahrhundert auf dem Hof lebten.

Regula Fankhauser führt auf die Heubühne. Hier deutet sie auf eine kleine Luke, die im Halbschatten in die Tiefe führt. Dort, in der Tiefe, befindet sich das Versteck. Es handelt sich um eine kleine, fensterlose Kammer, die der damalige Hofbesitzer Christen Fankhauser um 1700 herum zimmerte, indem er mit einer zusätzlichen Wand ein kleines Stück der Fleisch-Lagerkammer abtrennte und das neue Gelass von oben mit einer getarnten Einstiegsluke versah. Waren die obrigkeitlichen Häscher unterwegs, konnten er oder Glaubensgenossen sich in dieser Geheimkammer verstecken.

Predigt in der Stube

«Gerade bei uns in Trub waren die Taufgesinnten im 17. und 18. Jahrhundert stark präsent, vielleicht die Hälfte der Bevölkerung lebte nach diesen Grundsätzen», erklärt Regula Fankhauser. So dogmatisch, wie ihnen heute nachgesagt werde, seien die Täufer jedoch nicht gewesen.

«Viele von ihnen besuchten den regulären Gottesdienst. Wenn sie aber feststellten, dass ihr Pfarrer das Evangelium zwar verkündete, aber nicht lebte, blieben sie der Kirche fern.» In vielen Wohnstuben hätten Gottesdienste stattgefunden. Im Übrigen hätten sich die Täufer selbst nicht so bezeichnet. «Sie sprachen sich als Brüder und Schwestern in Christus an, was mehr über ihren Glauben aussagt als ihre angebliche Verweigerung der Kindertaufe.»

Sie hielten die Erwachsenentaufe als bewussten Akt des Glaubens zwar als Ideal hoch, dabei praktizierten sie aber auch die Kindertaufe, denn im Staat Bern galt nur als anerkannter Untertan, wer als Kind ins Taufregister eingetragen wurde. Mit diesem Eintrag verbunden war auch die juristische Erbberechtigung. Diese war den Bauern wichtig, schliesslich wollten sie ihren Hof rechtmässig an ihre Nachkommen übergeben können.

Als Pazifisten verfolgt

«Wirklich störend war für die Regierung die Weigerung der Täufer, ihre Söhne zu Soldaten ausbilden zu lassen», führt Fankhauser aus. «Das Söldnerwesen war für den Staat Bern eine wichtige Einnahmequelle. Hätte der Pazifismus der Täufer Nachahmung gefunden, wären der Staatskasse grosse Einnahmen verloren gegangen.»

Der Pazifismus der Täufer gefährdete eine Einnahmequelle der Berner Staatskasse.
Regula Fankhauser, Kennerin der Täufergeschichte

So ging Bern dazu über, auf führende Köpfe der Täuferbewegung Jagd zu machen. Ihnen drohte Gefängnis, Galeerendienst oder gar die Hinrichtung. Der für Trub zuständige Landvogt setzte nichttäuferische Strafgefangene, die bei ihm auf Schloss Trachselwald einsassen, auf bestimmte Täufer an und versprach ihnen bei Erfolg den Straferlass und ein Kopfgeld.

Auch im Trubtal tauchte immer wieder ein hartnäckiger Täuferjäger auf, aber der gesuchte Christen Fankhauser verschwand stets rechtzeitig in seinem klug angelegten Versteck auf Hinter Hütten. Einmal aber wurde er überlistet und geriet kurz vor Weihnachten 1709 doch noch ins Netz. Er kam ins Gefängnis, dann mit anderen Häftlingen auf den Schiffstransport nach Holland. Von dort aus hätten die Gefangenen nach Pennsylvania verschifft werden sollen.

Die holländische Regierung befreite die Gefangenen jedoch. Manche blieben, manche emigrierten nach Amerika – und Christen Fankhauser, von Heimweh geplagt, kehrte zu den Seinen zurück. Später fand er bei Glaubensbrüdern und -schwestern im Jura Arbeit und Bleibe. Den Hof im Emmental übernahm sein jüngster Sohn.

Zellen auf Schloss Trachselwald

1743 fand die Verfolgung der Täufer im Emmental offiziell ein Ende. Geblieben sind Erinnerungen, Auswanderungsgeschichten und historische Stätten von den Arrestzellen auf Schloss Trachselwald bis hin zum Täuferversteck auf Hinter Hütten, das jährlich Hunderte von Interessierten anzieht.

Familie Fankhauser selbst ist mit dem Glauben eng verbunden. Die freikirchliche Gemeinschaft, der sie angehört, ist zwar nicht täuferisch. «Sie stellt aber, wie die Täufer, Jesus Christus ins Zentrum», hält Regula Fankhauser fest. So bleibt die Glaubensüberzeugung, die die Täufer einst in kritische Distanz zur Amtskirche setzte, auf Hinter Hütten bis heute lebendig.

Website des Täuferverstecks

Verfolgt, eingekerkert und hingerichtet

Die Reformation begann in der Eidgenossenschaft ab 1522. Nebst den staatstragenden Amtskirchen entstanden dabei auch Gemeinschaften, die den neuen, evangelischen Glauben besonders konsequent lebten. Sie propagierten eine vom Staat losgelöste Kirche und liessen sich auch nicht 
als Soldaten rekrutieren. Zudem lehnten sie die Kindertaufe ab; die Taufe habe im Erwachsenenalter als Zeichen einer bewussten Hinwendung zum Glauben zu erfolgen. Deshalb nannte und nennt man Angehörige dieser 
Bewegung Täufer. Aufgrund ihrer Distanz zur weltlichen Obrigkeit wur
den sie einst als Staatsfeinde verfolgt, gefangen gesetzt, des Landes verwiesen oder hingerichtet. Besonders streng verfolgte man die Täufer in 
der alten Republik Bern. 2007 entschuldigte sich die reformierte Berner 
Landeskirche bei den Täufern für das ihnen angetane Unrecht, 2017 zog 
der Kanton nach.