Boxen und beten – ein Mann im Ring des Lebens

Gesellschaft

Pascal Brawand hat sich durchgeboxt: durch seine anspruchsvolle Kindheit und eine Karriere als Amateurboxer. Jetzt setzt er sich als Boxtrainer und Theologe für die Menschen ein.

Mit 14 Jahren fing Pascal Brawand an zu boxen. Warum? «Ganz einfach: weil ich verletzen wollte», meint Bra­wand knapp. Kurz darauf sei es zu einer Schlägerei zwischen ihm und dem Partner seiner Mutter gekommen. Dieser habe ihn, den kleinen Jungen, über Jahre geschlagen und gedemütigt. Dann, endlich, habe er zurückgeschlagen. 

«Es war so befreiend, ich fühlte mich zum ersten Mal nicht mehr machtlos.» Später habe er sich immer wieder vorgestellt, wie er dem Mann Verletzungen zufügen könnte, mit den Fäusten, einem Messer oder dem Baseballschläger. «Einzig Gott ist es zu verdanken», schliesst er die Erinnerungen ab, «dass es nie so weit kam.»

Erfolgreicher Kämpfer

Pascal Brawand spricht schnell und lässt sein Gegenüber nicht aus den Augen. Ein Kämpfer ist der 51-Jährige bis heute. Als junger Boxer holte er im Amateurbereich gleich vier Schweizermeistertitel, und zweimal wurde er Vizemeister.

www.boxenzurbildung.ch

Boxen zur Bildung ist die Bildungsstätte für das klassische Boxen — der edlen Kunst des Faustfechtens — zur Förderung der Boxkompetenz und der Entwicklung der eigenen Identität und Persönlichkeit. Pascal Brawand engagiert sich im Breiten- und Spitzenboxsport, im Gesundheitsbereich, in der Gewaltverarbeitung und der Gewaltprävention, der Sozial- und Integrationsarbeit, sowie der Erlebnispädagogik.

Der gelernte Maurer sowie Anlage- und Apparatebauer ist heute Jugend-, Fitness- und Wettkampftrainer bei Swiss Boxing und Swiss-Olympic-Berufstrainer. Später schloss er am Institut für Gemeindebau und Weltmission IGW ein Studium in Praktischer Theologie ab; jetzt ist er in Ausbildung als beratender Seelsorger. In seiner Boxschule trainiert er junge Menschen, die ihre Kraft kanalisieren wollen oder müssen, bietet Boxtrainings für Kinder sowie Erwachsene an, coacht Klienten, die zu viel oder zu wenig Aggressionen haben oder an ihrem Selbstvertrauen arbeiten wollen.

Brawand ist bei der Mutter aufgewachsen. Das Zusammenleben mit ihren verschiedenen Lebenspartnern erlebte er als unterschiedlich gut. Den leiblichen Vater hat er nie getroffen. «Er lehnte mich ab, und so musste ich halt zuerst mit einer schwachen und dann mit einer brutalen Vaterfigur aufwachsen», fasst es Brawand zusammen. Doch die Tagesmutter – er nennt sie «Mutti Ida» – und ihre Familie hätten ihm Halt gegeben, ebenso die Grossmutter in Grindelwald.

Beim Boxen lernte er, seinen Körper zu spüren und seine Emotionen zu kontrollieren. «Boxen war alles für mich», betont er. Die Energie für einen Ernstkampf aufzubauen, um dann den maximalen physischen und psychischen Stress im Ring umzusetzen in Kampf, sei unvergleichlich. «Es dauerte oft Wochen, bis ich mich davon erholte.»

Gott hat aus dem traumatisierten Jungen, der ‹Boxzecke›, die immer kleiner war als alle andern, etwas gemacht, was ich nie erwartet hätte.
Pascal Brawand, Theologe und Boxlehrer

Brawand schüttelt seine graue Mähne. «So hat Gott aus dem traumatisierten Jungen, der ‹Boxzecke›, die immer kleiner war als alle andern, etwas gemacht, was ich nie erwartet hätte», meint er. Ungezwungen erzählt er, wie er nicht zuletzt durch seine Frau, die in der Pfingstgemein­de war, zum Glauben fand. «Erst wollte ich nichts damit zu tun haben, weder mit Gott noch mit einer ‹Sekte›.» Und dass seine Karin regelmässig betete, habe ihn furchtbar genervt.

Zu Gott gefunden

Doch dann fing er an, ebenfalls nach einem Gott zu suchen. Allerdings nach einem starken. «Nicht so einem Sandalen tragenden Vertreter der Liebe, der dem Feind nach der ersten auch noch die zweite Wange entgegenstreckt.» Mit diesem Männerbild habe er nichts anfangen kön­nen, und die Stimme in ihm, die Jesus abgewertet und verflucht habe, sei immer lauter geworden. «Irgend­wann musste ich mich entscheiden: Entweder gebe ich der Wut nach oder der Liebe.» Nun habe er ihn gefunden, den Gott der Liebe. «Mein Leben ist seither in jeder Hinsicht besser geworden.»

Irgendwann musste ich mich entscheiden: Entweder gebe ich der Wut nach oder der Liebe.
Pascal Brawand, Boxtrainer

Sein Engagement im Glauben lebte er in verschiedenen Kirchen. Und heute vor allem im Boxen. «Ich bin nicht der Typ, der die Leute in die Kirche holt», sagt er. «Ich gehe hinaus zu ihnen. Rede, boxe und bete mit ihnen. Falls sie das denn auch wollen.»