Das Haus der Religionen in Bern ist eine schweizweit einzigartige Begegnungsstätte der Religionen und ein Ort des Dialogs der Kulturen. Dieser Dialog geriet Ende letzten Jahres ins Stocken, als «SRF investigativ» publik machte, dass es in der Moschee zu Zwangsverheiratungen gekommen war. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Die Institution steht vor einem Neuanfang und einem Generationenwechsel. Am 6. Juni wird die Nachfolge der abtretenden Vereinspräsidentin Regula Mader gewählt.
Johannes Matyassy soll neu das Haus der Religionen führen
Der Verein Haus der Religionen in Bern wählt im Juni eine neue Leitung. Für das Amt der abtretenden Präsidentin Regula Mader bewirbt sich der frühere Diplomat Johannes Matyassy.
Verfahren eingestellt
Die Bernische Staatsanwaltschaft hat das Verfahren rund um die Zwangsheiraten im Haus der Religionen eingestellt. Das teilte die Behörde auf Anfrage von SRF mit. Ohne belastende Aussagen von Betroffenen oder von Dritten seien den Strafverfolgungsbehörden die Hände gebunden, heisst es im Schreiben, das SRF publik machte. «Es liegt primär an den Betroffenen, Anzeige zu erstatten, ansonsten kann eine Zwangsehe nicht bewiesen werden.»
Es hätten sich keine Betroffenen bei den Behörden gemeldet, und SRF legte die Identität der Betroffenen mit Verweis auf den Quellenschutz nicht offen. Auch gebe es derzeit keine anderweitigen Ermittlungsansätze, so die Begründung der Staatsanwaltschaft.
Im November hatte «SRF investigativ» publik gemacht, dass junge Menschen im Haus der Religionen gegen ihren Willen verheiratet worden seien. Die Rede war von rund einem halben Dutzend solcher Fälle. Durchgeführt wurden die Trauungen in der Moschee des Hauses, von wem, blieb unklar. Der Imam Mustafa Memeti trat von seinem Amt zurück, inzwischen leitet sein Sohn den muslimischen Verein.
Prominenter Kandidat
Das Interesse an der ehrenamtlichen Leitungsfunktion war im Vorfeld gross: Der Vorstand habe mit 25 Personen Gespräche geführt, teilt das Haus der Religionen auf Anfrage mit. Für das Präsidium schlägt der Vorstand nun einen prominenten Mann vor: Johannes Matyassy, ehemaliger Generalsekretär der FDP Schweiz, Diplomat, zuletzt stellvertretender Staatssekretär im Aussendepartement und seit Ende Februar im Ruhestand. Die amtierende Präsidentin Regula Mader bestätigt gegenüber «reformiert.» entsprechende Gerüchte.
Johannes Matyassy bringe eine breite nationale und internationale Führungserfahrung mit, sei erfahren in Mediation und der Bewältigung von Konflikten, sagt Mader. «Er ist eine reife Persönlichkeit mit grosser Vernetzung.» Das habe den Vorstand überzeugt.
Vorstand grösser und diverser
Die Leitung war bisher ausschliesslich christlich geprägt. «Es wäre wünschenswert, dass nun auch junge und engagierte Menschen anderer Glaubensrichtungen Verantwortung für diese einzigartige Institution übernehmen», hatte Mader nach der Ankündigung ihres Rücktritts gesagt. Ihr nun nominierter Nachfolger entspricht nicht gerade diesem Wunschszenario. Mader relativiert: Der Vorstand solle aufgestockt werden und es stünden drei jüngere Frauen, teilweise mit Migrationshintergrund, zur Wahl.
Regula Mader setzt sich seit über 20 Jahren für das Haus der Religionen ein. Sie ist Gründungsmitglied der Stiftung, die das Haus finanziert und gebaut hat. Ihr Abgang eröffne die Chance für einen Generationenwechsel, sagt sie. Bei den Wahlen am 6. Juni wird es ausserdem zwei Wechsel bei den Vertretungen der Religionsgemeinschaften geben.
Nach Bekanntwerden der Vorfälle in der Moschee hatte der Vorstand striktere Regeln für die eingemieteten Glaubensgemeinschaften beschlossen. Diese seien positiv aufgenommen worden, sagt Mader. Geplant sind ausserdem zwei Weiterbildungstermine mit der Fachstelle Zwangsheirat. Die Zeichen für einen Neuanfang sind gut. Regula Mader sagt: «Die Stimmung im Haus ist gut. Die Zusammenarbeit funktioniert, und das Vertrauen konnte wieder hergestellt werden.»