Weltgebetstag 2024 in der Kritik

Kirche

Die Liturgie des Weltgebetstags haben palästinensische Christinnen vorbereitet. In den Vorbereitungsgruppen herrscht Unsicherheit, ob dies noch passt. 


In diesen Tagen sehen sich auf der ganzen Welt Christinnen mit einer delikaten Aufgabe konfrontiert: In ökumenischen, regionalen Gruppen bereiten sie Weltgebetstags-Feiern für den 1. März 2024 vor. Die grösste ökumenische Basisbewegung setzt sich seit 1927 für das gegenseitige Verständnis ein und feiert betend Gemeinschaft, doch das Anliegen wird dieses Mal besonders kritisch beobachtet. Denn dieses Mal wurde die Liturgie von palästinensischen Frauen erarbeitet. 

Nach dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und der darauffolgenden Eskalation des lange schwelenden Konflikts zwischen Israel und Palästina sind zahlreiche Frauen in den Vorbereitungsgruppen verunsichert, wie sie nun noch über Palästinenserinnen reden dürfen, sagt Vroni Peterhans, Präsidentin des Schweizer Weltgebetstags-Komitees. 

«Jetzt erst recht!»
«Wir sind der Meinung: Jetzt erst recht!» Der Weltgebetstag sei ein Anlass, an dem für Frieden gebetet werde. «Das Gebet bezieht stets alle Seiten ein. Man kann Frieden nicht nur für eine Seite erbitten.» Schon vor Kriegsausbruch erhielt Peterhans Mails von Privatpersonen, die kritisierten, der Weltgebetstag ergreife Partei, wenn nur Palästinenserinnen zu Wort kommen. Das bereitete auch der Stadtzürcher Pfarrerin Chatrina Gaudenz Unbehagen, vor allem der extra für die Feier gedrehte Film, in dem vier Christinnen – eine Bäuerin, eine Keramikkünstlerin, eine Theaterpädagogin und eine Fussballerin – über ihr Engagement erzählen. «In diesem Film wurde einzig von ‹Besatzern› gesprochen, und alle Israelis werden in einen Topf geworfen. Das finde ich propagandistisch», sagt sie gegenüber «reformiert.». 

Kein Komitee in Israel  
Das Schweizer Komitee hält aber am Konzept fest: «Traditionell berichten Christinnen aus einem Land», sagt Vroni Peterhans. «Ihre Erfahrungen und Glaubenszeugnisse stehen im Mittelpunkt.» Diese widerspiegelten Wirklichkeiten, die geprägt seien von Politik, Kultur und oftmals auch kolonialer Vergangenheit. «Wir hören zu, ohne zu urteilen, und stärken damit Solidarität und den Frieden.»  Die Liturgieländer werden an internationalen Konferenzen weit im Voraus bestimmt.
Dass Israel bislang nicht beteiligt war, liegt daran, dass es dort kein Komitee gibt.  «Wir sind uns bewusst, dass die Liturgie von christlichen Palästinenserinnen heikel ist. Aber uns trägt die Hoffnung, dass das Band des Friedens durch die Weltgebetstags-Gottesdienste überall, auch in der betroffenen Region, enger geknüpft werden kann», so Peterhans.

Die Hamas repräsentiert uns nicht, und schon gar nicht uns Frauen. Verschlimmert sich die Lage weiter, leben bald keine Christen mehr in der Region.
Sally Azar, Präsidentin Weltgebetstagskomitee Palästina


In einem Schreiben an die Öffentlichkeit am 13. Oktober appellierte das Palästinensische Komitee an alle Konfliktparteien, Dialog und Versöhnung an erste Stelle zu setzen. Nur zusammen gebe es Frieden in der Region. «Wer sich für das Gute positionieren will, kann sich nicht auf eine Seite stellen, man muss sich für Gerechtigkeit aussprechen», sagt die Komitee-Präsidentin Sally Azar in einem Interview, das sie per Zoom in ihrer Wohnung in Jerusalem führt. Sie ist Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Im Januar war die christliche Palästinenserin nach acht Jahren im Ausland an ihren Geburtsort zurückgekehrt. Zurzeit verlässt sie kaum das Haus, aus Angst vor Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern auf der Strasse.  

Verzweifelt machen die 26-Jährige nicht nur die schrecklichen Ereignisse, sondern auch, dass Palästinenser in Sippenhaft mit der Hamas genommen werden. Sie betont: «Hamas repräsentiert uns nicht, und schon gar nicht uns Frauen.» Würde sich die Lage weiter verschlimmern, lebten bald keine Christen mehr in der Region. «Darum müssen sich auch der Westen und die Kirchen dafür einsetzen, Frieden zu schaffen.»  

Auch EKS steht dahinter  
Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) verurteilte den Anschlag der Hamas und drückte gegenüber den Jüdinnen und Juden in der Schweiz und dem Staat Israel ihre Solidarität aus. Den Weltgebetstag 2024 stellt die Präsidentin Rita Famos aber nicht in Frage. «Wenn wir Christinnen und Christen weltweit im Gebet um den Frieden zusammenstehen, ist das eine grosse Chance und Kraft, die Hoffnung nicht zu verlieren.» Sie wünsche den Organisatorinnen «viel Weisheit, den Tag zu einem starken Zeichen zu machen.» 

Das wünscht sich Chatrina Gaudenz, die in Jerusalem studiert hat, auch. «Die Situation ist komplex, die Aufteilung in Gut und Böse falsch.» Dem müssten die Organisatorinnen Rechnung tragen und Vorurteile gegenüber Israel, Jüdinnen und Juden hinterfragen