«Haalt! Das war zu langsam.» – «Ich höre das Piano gar nicht.» – «Hallo da hinten, wo bleibt die Konzentration?» Die Anweisungen der beiden Chorleitenden Anette Bodenhöfer und Alois Heer hallen durch die katholische Kirche in Affoltern am Albis. Es ist Donnerstagabend, Generalprobe zu vier Gospelkonzerten, die an den vergangenen zwei Wochenenden in Affoltern, Unterägeri und Zürich-Wollishofen über die Bühne gingen.
Konzentration ist tatsächlich gefordert von allen Beteiligten. Von den über hundert Chorsängerinnen und -sängern, der Zürcher Solosängerin Christina Jaccard, berühmt für die «schwärzeste aller weissen Stimmen», sowie von den vier Musikern und den Technikern.
Wippen im Takt. Drei Chöre haben sich zu diesen Konzerten zusammengetan, der Gospelchor und der Cäcilienverein aus Affoltern sowie der «VocalCord» aus Bonstetten. «Get on Board», «I Will Ever Trust» oder «Let Me Fly» heissen die Stücke, an denen nun der letzte Schliff angebracht wird. «Mit so vielen Menschen zu proben, brauche mehr Energie von ihrer Seite», erzählt Anette Bodenhöfer. «Doch es kommt auch mehr zurück.» Und Alois Heer nennt als Hauptherausforderung: «Die Musikstücke müssen verständlich, transparent und rhythmisch klingen, dürfen ihre Prägnanz nicht verlieren. Insbesondere gilt es, darauf zu achten, dass nicht alle Passagen gleich laut tönen.»
Die beiden Chorleiter wechseln sich beim Dirigieren ab. Die Singenden wippen im Takt der Musik, hundert Körper drehen nach links, nach rechts, immer wieder. Dann ein Klatschen: «Halt, die Musik war in dieser Passage zu laut.» Oder: «Zu langsam. Nochmals diese Passage, aber etwas schneller.» Die Beteiligten nehmen die Anweisungen gelassen, launige Sprüche sind irgendwo im Chor zu hören, begleitet von Gelächter. Dann ein «Psst!», dieselbe Passage erneut. Nun gelingt sie perfekt.
Es steckt viel Feinarbeit, manche Stunde hartes Üben und Proben drin, bis alle Elemente zur Konzertreife gebracht sind. Lohn dafür sind die Konzerte, an denen das Publikum sich vom Schwung und der Lebensfreude der Gospelsongs mitreissen lässt. Der Andrang in Affoltern war so gross, dass Personen abgewiesen werden mussten. Die glücklichen Anwesenden waren begeistert von der Stimmung, den eingängigen Melodien und vom Zusammenspiel zwischen Dirigenten, Musikern, Solistin und Chor.
Musik der Sklaven. Auch der Gospelchor Zürich-Albisrieden hat viele Stunden Probe hinter sich. Ihm stehen Auftritte noch bevor: Adventskonzerte in Albisrieden am 28. und 29. November. Am 9. Dezember ist ein Auftritt auf dem Singing Christmas Tree am Werdmühleplatz in Zürich geplant. Gut fünfzig Sängerinnen und Sänger machen in diesem Chor mit, den Pfarrer Gerhard Bosshard 1996 gegründet hat.
Bosshard weiss, warum Gospel – die Kurzform für «good spell»: gute Nachricht – sich seit Jahrzehnten anhaltend grosser Beliebtheit erfreut: «Das Rhythmische und das Geistliche sind im Gospel clever miteinander verbunden. Das kommt zeitgemäss daher und damit heutigen Hörgewohnheiten entgegen.» Gospelmusik sei vordergründig ein weltlicher Sound, der nicht so fromm töne wie etwa klassische Kirchenlieder. Viele spürten aber auch deutlich, dass in der Melodik und den Gesangstexten, die ihre Ursprünge in den Gesängen der schwarzen Sklaven der USA des 17. bis 19. Jahrhunderts hat, noch etwas Grösseres steckt.
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