Recherche 25. Juni 2021, von Nadja Ehrbar

Botschaftspläne des Bundesrats in der Kritik

Diplomatie

Der Bundesrat lanciert die Idee für eine Botschaft im Vatikan neu. EKS-Präsidentin Rita Famos hält das für problematisch.

Rita Famos ist nicht begeistert. «Das schafft ein Ungleichgewicht», sagt die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). Sie reagiert damit auf die Ankündigung von Bundespräsident Guy Parmelin, rasch eine ständige Schweizer Botschaft am Heiligen Stuhl einzurichten. Laut Famos würden dadurch die Beziehungen zwischen Bundesrat und dem katholischen Kirchenstaat und so ebenfalls zur katholischen Kirche intensiviert. Doch diese Beziehungen seien bereits eng. Ein Nuntius vertritt in Bern seit 1920 die Interessen des Papstes und der Vatikanstadt.

Wir als Reformierte müssen uns überlegen, wie wir die Kontakte zum Bund im Vergleich mit der katholischen Kirche im Gleichgewicht behalten können.
Rita Famos, Präsidentin Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz

«Wir als Reformierte müssten uns zudem überlegen, wie wir die Kontakte zum Bund im Vergleich mit der katholischen Kirche im Gleichgewicht behalten und offizialisieren können», fügt sie an. Die Beziehung zwischen dem Staat und  den Religionsgemeinschaften liegt nämlich in der Verantwortung der Kantone. Deren Regierungen pflegen den Kontakt zu den Landeskirchen.

Ein direkter Draht fehlt

Deshalb hat die EKS-Präsidentin Rita Famos eine ähnliche Lösung im Blick, wie sie in Deutschland bereits praktiziert wird. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beauftragt einen Bevollmächtigten, der die Beziehungen zur Bundesrepublik wie auch zur Europäischen Union pflegt.

Eine weitere Möglichkeit, um das Verhältnis des Bundes zu allen Re-ligionsgemeinschaften zu klären, sieht Famos in der Schaffung eines Religionsartikels in der Bundesverfassung. Fest stehe, dass sich der Bund seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nicht mehr aus den Themen Religion, Staat und Gesellschaft heraushalten könne.

Ein aufgeklärtes Land wie die Schweiz oder Deutschland könne im Vatikan sehr wohl etwas bewegen, findet Annette Schavan, etwa Verständnis schaffen für demokratisch legitimierte Körperschaften. Die katholische Theologin und ehemalige Bundesbildungsministerin war von 2014 bis 2018 Botschafterin am Heiligen Stuhl.

Im Vatikan sind fünf Kon­tinente präsent, es gibt dort ein Netz an In­for­mationen und Erkennt­nissen wie sonst nirgends.
Annette Schavan, ehemalige Deutsche Botschafterin im Vatikan

Schavan, die sich regelmässig zu innerkirchlichen Fragen äussert und auch römische Positionen hinterfragt, blickt auf vier Jahre Erfahrung mit einer Weltkirche zurück, «die zu meinen interessantesten gehören». Im Vatikan seien fünf Kontinente präsent, es gebe ein Netz an Informationen und Einsichten, die man sonst nirgendwo bekomme. Und: «Die Ministerien des Vatikans sind interessiert daran, zu erfahren, was in anderen Ländern geschieht.» Als Botschafterin habe man zudem die Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen, «die nur übereinander, aber nie miteinander» redeten. 

Die Schweiz pflegt seit hundert Jahren diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Seit 1991 entsendet sie einen Botschafter in Sondermission. Das heisst, dass sich dieser nicht im Vatikan, sondern in Bern oder in einem anderen Land befindet. Derzeit ist der Botschafter in Ljubljana auch für den Kontakt zum Kirchenstaat zuständig.

Auch heikle Fragen stellen

Das Anliegen einer ständigen Botschaft vor Ort ist nicht neu. 2013 hatte die Regierung ein Postulat der FDP-Nationalrätin Doris Fiala zum Thema noch ablehnend beantwortet. Eine Botschaft sei zu teuer, man wolle sich auf Wachstumsregionen und die Nachbarstaaten konzentrieren, hiess es damals. 

Dass die Idee wieder aktuell ist, freut Fiala. «Ich habe nie begriffen, weshalb die Schweiz im Vatikan nicht dabei sein will.» Denn auch sie ist davon überzeugt, dass dort Themen aufgegriffen würden, die man sonst zu wenig bearbeite, zum Beispiel die Forderung nach Transparenz von religiösen Stiftungen. Dafür sei der Vatikan wohl eher kein Vorbild, sagt Fiala.

Nutzen nicht ersichtlich

Bevor der Bundesrat einen definitiven Entscheid fällt, muss er laut Par­lamentsgesetz die aussenpolitischen Kommissionen anhören. Dort sind die Diskussionen allerdings noch nicht angelaufen.

Die Frage, welche neuen Erkennt­nisse das Aussendepartement im Ver­gleich zu 2013 hat, bleibt auf An­frage offen. Für den Nationalrat Nik Gugger (EVP) ist klar, dass die Regierung neue Argumente für eine Bot­schaft bringen müsste.

Die EKS-Präsidentin Rita Famos kann nicht nachvollziehen, «wie die teurere Botschafterlösung die diplomatischen Beziehungen optimieren soll». Eine ständige Botschaft kostet rund eine Million Franken. Geld, das der Bund laut Famos zum Beispiel in den interreligiösen Dialog investieren könnte.