Recherche 11. Februar 2021, von Karin Müller, kirchenbote-online

Klimagerechtigkeit: Der Wandel von unten

Ökumene

Die ökumenische Kampagne zeigt, wie jede und jeder im Alltag zur Klimagerechtigkeit beitragen kann und wie Initiativen ein Umdenken auf lokaler Ebene propagieren.

Es ist eine gute Nachricht in Corona-Zeiten: Die «KlimaGespräche», die «Brot für alle» und «Fastenopfer» vor gut einem Jahr lanciert haben, stossen gemäss den Hilfswerken trotz der Pandemie auf Anklang. Man habe 2020 «mehr als 200 Menschen in der ganzen Deutschschweiz dabei unterstützt, ihr Leben auf Klimakurs zu bringen und ihren CO2-Ausstoss zu reduzieren». In den Workshops erfahren die Teilnehmenden, wie sie im Alltag ihr Verhalten ändern und ihren Lebensstil anpassen können.

Konkret statt abstrakt

Das Konzept geht davon aus, dass sich viele Sorgen über den Klimawandel machen, selber aber nicht bereit sind, auf den Flug in die Ferien, exotische Lebensmittel oder ein neues Smartphone zu verzichten. Die Informationen und Gruppendynamik der «KlimaGespräche» könnten dies ändern. «Es braucht die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema», sagt Daniel Wiederkehr, Verantwortlicher für die «KlimaGespräche».

In Gruppen mit acht Personen analysieren die Teilnehmenden in sechs Gesprächsrunden ihre Gewohnheiten und die Folgen fürs Klima. Es geht darum, das Gefühl der Machtlosigkeit zu überwinden, indem man sich gemeinsam mit den eigenen Widerständen und Ängsten auseinandersetzt.

Mehr «KlimaGespräche»

Die Methode stammt aus Grossbritannien, wird mittlerweile auch in Frankreich, Holland und Kanada angewendet, und sie ist erfolgreich. Untersuchungen zeigen, dass es Teilnehmenden gelingt, einen neuen Lebensstil zu finden und ihren CO2-Ausstoss innert vier bis fünf Jahren um die Hälfte zu verringern. Nun kündigt «Brot für alle» an, die «KlimaGespräche» mit 27 neuen Moderatorinnen und Moderatoren an acht Orten in der Schweiz und online in die nächste Runde zu schicken.

Keine Horrorszenarien

Die Idee, beim Kampf gegen die Klimaerwärmung aufs Lokale zu setzen, geht auf den Briten Rob Hopkins zurück. Der 52-jährige Dozent und Umweltaktivist setzt sich seit Jahren für die Energiewende ein und gilt als «visionärer Gründer der Energiewendebewegung». Sein Ansatz ist lokal, konkret und kreativ.

Apokalyptische Horrorszenarien sind nicht seine Sache, er setzt auf Inspiration. «Wie würde eine Umweltbewegung aussehen, die nicht auf Abschreckung, auf Betroffenheit, Entsetzen und Wut setzt, sondern versucht, Begeisterung zu wecken?», fragt er in seinem Handbuch zur Energiewende, das er als «Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen» versteht. Von seiner Heimatstadt Totnes aus gründete er 2006 die Transition-Towns-Bewegung. Sein Handbuch wurde inzwischen zur Bibel für viele Klimaaktivisten.

Eine Welt ohne Öl

Anstatt vor globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu kapitulieren, weil man glaubt, als Einzelner nichts ausrichten zu können, müsse man auf lokaler Ebene mit den Veränderungen beginnen, so Rob Hopkins. Dort könne man etwas bewegen.

Transition Towns sind Städte und Gemeinden, die mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen den Übergang vorbereiten in eine Welt, die nicht mehr auf fossile Energie angewiesen ist. Die international vernetzte Bewegung zählt mittlerweile zwischen 3000 und 4000 regionale Gemeinschaften in über 40 Ländern, auch in der Schweiz.

Die Initiativen reichen vom gemeinsamen Bepflanzen öffentlicher Grünflächen mit Gemüse, über Reparaturwerkstätten, das Geschäft, das seine Waren ohne Verpackung verkauft, bis zur Einführung einer lokalen Währung.

Der innere Wandel

Bei der Transition, dem Übergang, geht es aber nicht nur um konkrete Projekte, sondern um ein grundsätzliches Umdenken, den inneren Wandel. Die Bewegung funktioniert, ebenso wie die «KlimaGespräche», in erster Linie über Beziehungen.

«Im Netzwerk treffen wir uns als Menschen, die sich füreinander interessieren, die einander fragen, ‘wie geht es dir?’Dies ist eines der wichtigsten Elemente der Transition-Bewegung und unterscheidet diese von anderen Kampagnen und Organisationen», betonte Rob Hopkins gegenüber «Brot für alle». Darum gehe es bei den Ausbildungen um die Frage, «wie man eine Versammlung organisiert, mit Konflikten umgeht, Entscheide trifft und sich gegenseitig unterstützt».

Verspielt und hoffnungsvoll

Auch die Transition-Bewegung kommt nicht ohne Verzicht aus, sie bedeutet die Abkehr von Konsum, Egoismus und Machtkämpfen. Diesen Verzicht verwandelt der positive Ansatz von Rob Hopkins in eine «glückliche Genügsamkeit», verspielt und hoffnungsvoll.

«Ich besuche viele Orte, die sich wandeln – dank der Arbeit, den Träumen, der Liebe zum Ort, dank der Kreativität vieler Menschen. Es ist herrlich und überraschend, zu sehen, wie Menschen zu spielen beginnen, wenn sie Vertrauen haben. Als Erwachsene haben wir sonst nicht mehr oft das Recht zu spielen

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