Recherche 14. September 2021, von Delf Bucher

Für die Schöpfung auf dem See ohne Grenzen

Spiritualität

Die Arbeitsgemeinschaften der Christlichen Kirchen besteigen gemeinsam ein Schiff und setzen auf dem Bodensee über Konfessionsgrenzen hinweg ein Zeichen zur Rettung des Klimas.

Durch die Platanen an der Mole in Bregenz blinzelt die Morgensonne. Weisse Dreiecke von den Segelboote kreuzen sich auf dem Bodensee.

Mitten in diese Idylle hinein erklingt die sonore Stimme des rumänisch-orthodoxen Priesters Ovidio Colma. Sogleich stimmt er zusammen mit dem russisch-orthodoxen Erzpriester Radu Constantin Miron einen Wechselgesang an. Schliesslich tauchen die beiden Priester das Kreuz dreimal ins Seewasser.

Das lebendige Wasser

Damit hat am 5. September der Tag der Schöpfung seinen ersten Höhepunkt erreicht. Die Arbeitsgemeinschaften der Christlichen Kirchen (ACK) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben ihn unter das biblische Motto «Damit Ströme lebendigen Wassers fliessen» (Joh 7,38) gestellt.

Es wird beim Zitat aus dem Johannesevangelium nicht bleiben. Biblische Wasserbezüge von der Genesis bis zur Taufe Jesu prägen das Programm. 

Das Wunder der Kläranlage

Eine gänzlich weltliche Wundergeschichte erzählt der Leiter der Vorarlberger Wasserwirtschaft, Thomas Blank. Als in der Mitte des letzten Jahrhunderts Waschmittel und Landwirtschaft die Algenteppiche düngten und so der Sauerstoff schwand, setzten sich Vertreter der drei Anrainerstaaten zusammen. Ein Geldstrom von 4,3 Milliarden Franken ist seither in die Kläranlagen rund um den See geflossen. 

Internationale Zusammenarbeit empfiehlt Blank auch anderen Weltgegenden, in denen die globale Wasserkrise in kriegerische Auseinandersetzungen umzuschlagen droht. «Am Bodensee kennt Wasser keine Grenzen», sagt der Ingenieur. Nie konnte sich die Diplomatie auf einen Grenzverlauf mitten im See einigen. Schliesslich haben sich die Uferstaaten darauf geeinigt, die Seeflächen keinem staatlichen Territorium zuzuordnen. 

Die grenzenlose Taufe

Als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schöpfungstages mit dem Schiff Richtung Lindau weiterfahren, hallt bei vielen die Verblüffung nach, auf einem grenzenlosen See zu fahren. Später in Lindau im Schatten der Holzskulptur «Ring for peace» sagt dann Radu Constantin Miron, Vorsitzender der deutschen ACK: «Wie das Wasser des Bodensees keine Grenzen kennt, so ist die Taufe das gemeinsame Sakrament aller Christen.»

Nehmen wir ernst, dass es fünf vor zwölf geschlagen hat.
Bertram Meier, Bischof von Augsburg

Grenzen setzt hingegen der katholische Bischof von Augsburg, Bertram Meier: und zwar zu den Klimaleugnern. Auch zeitlich seien der Menschheit Grenzen gesetzt, um dem Klimawandel energisch zu begegnen: «Nehmen wir ernst, dass es fünf vor zwölf geschlagen hat.» 

Das Wasser abgegraben

Nach den Ansprachen hasten die Reisenden zum Schiff. Kaum liegt der bayrische Löwe im Lindauer Hafenbecken hinter ihnen, beginnt ein reges Plaudern. Der franziskanische Bruder in brauner Kutte unterhält sich auf Spanisch mit der Kolumbianerin Nhora Boller. 

Die Sekretärin der spanischsprachigen Seelsorge der katholischen Kirche Bern erzählt einem Ehepaar aus Wien von der Konzernverantwortungsinitiative und davon, wie der mächtige Schweizer Rohstoffhändler Glencore in Kolumbien den Bewohnern rund um die Kohlenminen das Wasser abgrabe. Schliesslich landet das Gespräch bei der von den Mexikanern verehrten Maria de Guadelupe. 

Exodus als ökologisches Programm

Angelangt in Romanshorn, geht es rasch in die katholische Kirche St. Johannes. Für den christkatholischen Bischof Harald Rein entfaltet sich in der Haltung der von Moses angeführten Wüstenwanderer ein «ökologisches Programm». Die Israeliten hätten sich nur auf das Notwendigste beschränkt, sagte Rain in seiner Abschlusspredigt: «Sie überliessen den kommenden Generationen den Planeten Erde unversehrt.»

Endlich ist die Ökologie in der Agenda der Kirchenleitungen angekommen.
Kurt Zaugg-Ott, Theologe

Die Reformierten halten sich vornehm zurück. Mitorganisator Kurt Zaugg-Ott, Stellenleiter der Oeku Kirchen für die Umwelt, will von einem Wettbewerb unter den Konfessionen nichts wissen: «Es zählt das Miteinander.» Der Theologe ist froh, dass die Ökologie endlich auf der Agenda der Kirchenleitungen angekommen ist. Der Beweis dafür sei die Präsenz der Bischöfe am Schöpfungstag.

Die Freikirchen gingen voran

In Umweltfragen tun sich zwischen den Kirchen kaum Gräben auf. Das haben zuletzt die Ja-Empfehlungen für das bei der Abstimmung gescheiterte CO2-Gesetz gezeigt. «Die Verantwortung für die Schöpfung eint uns», sagt Marc Jost, Co-Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA).  

Intern sei der Konsens aber weniger gross. Auf frei- wie auf landeskirchlicher Seite gebe es Mitglieder, die Mühe hätten mit den klimapolitischen Statements. «Wir suchen jetzt das Gespräch mit unseren eigenen Kritikern, um herauszufinden, wie man künftig besser überzeuge», sagt Jost. Zurückkrebsen werde die Allianz aber nicht.

Während sich die drei Landeskirchen, die Methodisten und Mennoniten im Verein «Oeku Kirchen für die Umwelt» engagieren, hat die Evangelische Allianz die eigene «Arbeitsgemeinschaft Klima, Energie und Umwelt» (AKU) gegründet.

«Wir arbeiten gut mit Oeku zusammen», sagt Koordinatorin Daniela Baumann. Auf die Initiative christlicher Wissenschaftler in der Romandie publizierte die AKU vor der CO2-Gesetz-Abstimmung einen ökologischen Handlungsaufruf, dem sich neben Oeku auch Brot für alle und Fastenopfer anschlossen. «Besonders gefreut hat uns, dass die reformierte Kirche im Kanton Zürich den Aufruf unterstützte.»

In der Romandie ist die Zusammenarbeit im Netzwerk EcoEglise noch enger. «Die Vernetzung hilft uns, in der Westschweiz bekannter zu werden», sagt Oeku-Leiter Kurt Zaugg. Ein Hauptangebot des Vereins ist das Umweltzertifikat Grüner Güggel für Kirchgemeinden und Pfarreien. EcoEglise setzt auf unverbindlichere Selbstdeklarationen.  

Die Unterschiede seien auch kulturell bedingt, glaubt Pierre-Philippe Blaser, Ratsmitglied der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Die Romandie orientiere sich eher an Umweltbewegungen aus Frankreich, betone mehr das persönliche Engagement als technische Standards. Auch er sagt: «In der Sorge um die Umwelt ziehen die Kirchen am gleichen Strick.»