Ein Hof, wo Menschen Wurzeln schlagen

Lebensart

Auf dem Hof Narr setzten sich Menschen für einen ökologischen Lebensstil ein.

In der Gesprächsreihe «Philothik» im Badener Theater ThiK werden Sie über die «Notwendigkeit, Wurzeln zu schlagen, um die Welt zu retten», reden. Um welche Wurzeln geht es?
Sarah Heiligtag: Die Wurzel ist ein Bild für Sinn im Leben. Viele Leute arbeiten, warten aufs Wochenende, dann konsumieren sie, um sich kurz gut zu fühlen. Viele fühlen sich entwurzelt. Sie eilen in der Welt herum, statt zu bleiben, in sich hineinzuhorchen und zu fragen, was sie wirklich wollen. Und das nimmt zu.

Warum?
Wir sind von Medien umgeben, alle sind mit dem Handy unterwegs, kaum jemand ist im Hier. Alles ist schnelllebig. Man kann alles kaufen, weiss aber nicht, wer es unter welchen Bedingungen herstellte. Enorm viel wird weggeworfen.

Sie setzen dem den «Hof Narr» entgegen, wo Sie eine ökologische, vegane Lebensweise bewerben. Sie nennen sich «Narren». Warum?
In der Annahme, dass uns viele mit unserem Projekt zunächst für Narren halten würden, nannten wir uns grad selbst so. Es gibt aber noch einen anderen Grund: Der Narr durfte dem König als Einziger die Wahrheit sagen, ohne getötet zu werden. Wir sind verspielt, meinen es aber ernst. Die Angst, sich mit der Zerstörung der Welt zu beschäftigen, hält viele davon ab, sich überhaupt damit zu befassen. Mit einem lustvollen Ansatz vermögen wir viele für das Thema zu öffnen. Jeder darf bei uns reinschauen. 

Was kann man auf Ihrem Hof tun?
Wir unterrichten Schulklassen, organisieren Vorträge, Konzerte, Essen. Immer machen wir eine Führung, erzählen, wer wir und unsere Tiere sind und was wir tun. Wir zeigen, wie schön sich die Welt anfühlen und schmecken kann. Wer will, kann mitarbeiten. So erreichen wir viele Menschen.

Veganer sind heute akzeptierter als vor einigen Jahren. Wie erklären Sie die Entwicklung?
Immer mehr Leute realisieren, dass wir dringend etwas ändern müssen, wenn unsere Kinder noch eine Zukunft haben sollen. Aus dieser Sorge heraus entscheiden sich viele für einen veganen Lebensstil, häufig ist es eine Kombination aus ethischen, ökologischen und gesundheitlichen Überlegungen.

Woher rührt Ihr sorgsamer Umgang mit Nahrung?
Mein Vater ist Onkologe, sein Wissen machte ihn zum Vegetarier. Meine Mutter wurde es aus Gerechtigkeitsempfinden. Für sie sind Tiere Teil unserer Lebensgemeinschaft und nicht zum Essen. Das thematisierten sie nicht gross. Es war einfach sonnenklar, dass kein Tier auf den Tisch kommt. So auch für mich.

Die Klimaberichte raten immer eindringlicher zum Handeln. Lähmen Sie die Nachrichten nicht?
Ich empfinde einen tiefen Schmerz, aber traurig herumsitzen nützt gar nichts. Ich will inspirieren. Darum haben wir diesen Mikrokosmos geschaffen, wo wir es anders machen, zukunftsfähig und fair. Und hier sehe ich viele Menschen, die sich entschliessen, ihre Projekte anzupacken. Einfach indem sie zunächst mal hier in die Erde greifen, Gemüse anbauen und die Tiere pflegen. Das wünsche ich mir: dass die Leute nicht nur über die anderen schimpfen, sondern in ihrem Umfeld etwas verändern. Das ist beglückend. Es lässt Wurzeln wachsen und rettet vielleicht sogar die Welt.

Was haben Sie selbst seit der Gründung 2013 dazugelernt?
Ich war oft in der akademischen Welt unterwegs und fand das viele Gerede mit gleichzeitiger Passivität frustrierend. Hier erlebe ich unglaublich inspirierende Menschen, die Lust am Machen haben. Das ist ein Riesengeschenk und gibt mir Hoffnung. Es kommen auch immer wieder Bauern, die einen anderen Ansatz suchen, weil sie Mühe mit ihrer Tierhaltung haben. Auf dem Hof Narr habe ich meine Berufung gefunden, Wurzeln geschlagen: seelisch und intellektuell.

Philothik, 9. Dezember, 11 Uhr, Theater im Kornhaus Baden, www.thik.ch

 

 

 

 

Sarah Heiligtag, 39

Die Ethikerin lebt seit 2013 mit Mann und zwei Kindern auf dem «Hof Narr». Er dient als Beispiel für ein Miteinander, das die Natur nicht zerstört. Auf dem Hof leben vor der Schlachtung gerettete Hühner, Truthähne, Ziegen, Pferde, Schweine und weitere Tiere.

www.hof-narr.ch