Ein Pionierprojekt verschwindet lautlos

Integration

Aus für das Zentrum 5: Im Berner Begeg­nungsort für Migrantinnen und Migranten werden auf Ende Jahr die Türen geschlossen.

Es ist still geworden im Zentrum 5, dem Treffpunkt für Migrantinnen und Migranten mitten im Berner Breitenrainquartier. Immer weniger Besuchende gehen ein und aus, und abends ist das grosse Fenster meistens dunkel.
Dabei gibt es hier seit über 30 Jahren Konzerte, Lesungen und Kulinarik, aber auch Deutschkurse, Beratung und Unterstützung. Die Bibliothek steht allen offen, und die diversen Räumlichkeiten können zu günstigen Konditionen für Privatanlässe gemietet werden.

Zu wenig Interesse

Nun will die Betreiberin, die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern (Akib), das Zentrum schliessen, voraussichtlich auf Ende Jahr. Der Ort habe, nicht zuletzt durch die Umstände der Pandemie, massiv an Attraktivität verloren, sagt Heidi Gebauer, Präsidentin der Akib. «Spätestens als bei einem Anlass mit kurdischer Musik und Essen im letzten September kein einziger Besucher kam, mussten wir einsehen: Das Interesse hat offenbar stark abgenommen.

Die Verantwortlichen des Zentrums 5, des einstigen Pionierprojekts, haben es verpasst, sich im umkämpften Markt gut zu positionieren.
Heidi Gebauer, Präsidentin der Akib

Auch Vermietungen gebe es keine mehr, weil man die Räume im Untergeschoss nicht lüften könne, führt die Akib-Präsidentin des Weiteren aus. Hinzu komme, dass es in der Stadt Bern zunehmend auch andere kirchliche Angebote im Asylbereich gebe. «Und die Verantwortlichen des Zentrums 5, des einstigen Pionierprojekts, haben es verpasst, sich im umkämpften Markt gut zu positionieren», ergänzt sie.

Druck durch Pandemie

Diese Einschätzung teilt Jürg Trefzer, Leiter des Zentrums 5, nicht: Die Nachfrage nach Beratung sei spürbar gestiegen, meint er. «Der Druck auf die Migrationsbevölkerung hat sich durch die Pandemie massiv erhöht, und die Ressourcen und das spezifische Know-how der Kirchgemeinden sind beschränkt.» Nicht selten schickten Kirchgemeinden aus der Stadt und dem Kanton Bern ihre Klienten ergänzend zu den gemeindeeigenen Aktivitäten zu ihnen

Für viele Migrantinnen und Mi­granten bedeutet das Zentrum 5 eine Art Brücke zur Schweiz.
Jürg Trefzer, Leiter des Zentrums 5

«Wir sind ein offenes Haus und begegnen allen auf Augenhöhe. Unser Ansatz zur Integrationsförderung ist erfolgreich», betont Trefzer. Mit ihren niederschwelligen Angeboten würden sie auch wenig integrierte Menschen mit schlechten Sprachkenntnissen erreichen. «Für viele Migrantinnen und Mi­granten bedeutet das Zentrum 5 eine Art Brücke zur Schweiz. Hier wird am falschen Ort gespart», ist Jürg Trefzer überzeugt. Bei der Schliessung gehe es auch nicht um das Sparen, wendet Akib-Präsidentin Heidi Gebauer ein. «Das Geld wird weiterhin für Migrantinnen und Migranten eingesetzt.» Die Frage sei lediglich, an welchen Standorten investiert werden solle.