Sein Büro ist klein. Zwei Bullaugenfenster hin zur lärmigen Kornhausbrücke, auf der anderen Seite ein Fenster mit Blick auf die Kirche. «Seit zwei Jahren kommen sie», sagt Priester Simandirakis. Griechen, die ihr Land verlassen, um sich hier in der Schweiz auf Arbeitssuche zu begeben. «Das sehe ich auch an den vielen neuen Gestalten, die ich am Sonntag in der Heiligen Messe treffe.»
Viele seiner Kirchenmitglieder lernt er aber nicht bei der Ausübung ihres Glaubens kennen, sondern beim Lösen von deren Problemen. Das Telefon klingelt, dann ruft er in den Hörer: «Kalimera!» Der Anrufer erkundigt sich nach Arbeit in Zürich. Priester Simandirakis rät ihm, nach Deutschland weiterzureisen, denn: «Wer kein Deutsch spricht und in der Küche arbeiten möchte, findet hier keinen Job. Die sind alle in der Zwischenzeit weg.» Nur gut qualifizierte Leute würden in der Schweiz eine Arbeit finden.
Der Priester als Stellenvermittler. Wenn er so spricht, hinter seinem kleinen Schreibtisch mit Computer und Akten, könnte er auch Berater in einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum sein. Simandirakis‘ Qualitäten weiss auch das griechische Konsulat in Zürich zu schätzen. Regelmässig schicken sie ihre Landsleute auf direktem Weg zu ihm in die Beratung. Keine Angst, dass ihm das alles zu viel werden könnten? Seine Antwort ist eine Aussage: «Mir war immer wichtig, als Priester für die Mitglieder an sieben Tagen 24 Stunden erreichbar zu sein.» Wer ihn verstehen möchte, müsse die Rolle eines Pfarrers in Griechenland oder in einer Diaspora-Pfarrei wie Zürich kennen: «Das ist eine andere, als die eines Schweizer Pfarrers.» Natürlich sei der Glaube wichtig. Aber zentral sei auch seit jeher die Hilfe bei existentiellen Problemen. Wieder klingelt das Telefon.
Die Situation in Griechenland sei natürlich ein Thema in der Pfarrei, sagt Simandirakis, und viele würden mit den Menschen in Griechenland mitleiden. Schuldzuweisungen für die aktuelle Situation mag Simandirakis keine machen. Er appelliert aber an Europa: «Griechenland hat Fehler gemacht, keine Frage. Aber ein Mitgliedsland in Not darf nicht fallen gelassen werden. Weder von der EU noch von den Kirchen.» Die Pfarrei habe deshalb Lebensmitteltransporte nach Griechenland organisiert oder Pharmafirmen in Basel angefragt, um an dringend benötigte Medikamente zu kommen. «Allerdings mit bescheidenem Erfolg», sagt er.
Kirche ohne Geld. Priester Simandirakis stopft sich eine Pfeife. Auf den oft geäusserten Vorwurf, dass die orthodoxe Kirche bisher von steuerlichen Privilegien profitiert habe, antwortet er entschieden: «Mein Gott! Das ist falsch!» Simandirakis sagt, dass die Kirche längst nicht in diesem Masse reich sei, wie der Staat sich das erhoffe. Auch sei es der falsche Weg, eine Institution so an den Pranger zu stellen, welche tagtäglich Notleidenden helfe. Es stelle sich vielmehr die Frage, wie die Kirche diese Hilfe in Zukunft überhaupt noch leisten könne: «Der Staat spart jetzt in der Krise auch bei der Kirche, und die Bevölkerung hat auch kein Geld mehr, um eine Spende für die Arbeit der Kirche für die notleidende Bevölkerung zu entrichten.»
Hinzu komme nun noch das Problem der Kriegsflüchtlinge. So seien auf der Insel Lesbos in wenigen Wochen 4000 Menschen aus Kriegsgebieten gestrandet, sagt Simandirakis. «Aufgrund der Situation stellt sich schlicht die Frage, wie wir diese Menschen ernähren können. Ich fürchte schlimme Szenen.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».