Harsche Kritik der Evangelischen Kirche in Deutschland an WM

Sport

Die EKD sieht das Turnier höchst kritisch und stellt klare Forderungen an den Präsidenten des Deutschen Fussballbundes. Auch der Zeitpunkt der WM sei schlecht gewählt.  

In rund drei Wochen startet die Fussballweltmeisterschaft. Im Vorfeld hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sowohl den Austragungsort Katar als auch den Zeitpunkt des Wettkampfs scharf kritisiert. EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus und EKD-Sportbeauftragter Thorsten Latzel wandten sich in einem Schreiben direkt an den Präsidenten des Deutschen Fussballbundes, Bernd Neuendorf.

Die WM finde in einem Land statt, in dem Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften seit Jahren auf die entwürdigende Lage von Arbeitsmigrantinnen und -migranten, massiv eingeschränkten Frauenrechte, den fehlenden Schutz von sexuellen Minderheiten oder die mangelnde Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit hinweisen, heisst es in dem am 27. Oktober verschickten Schreiben. Als Beispiel eklatanter Menschenrechtsverletzungen nennen Kurschus und Latzel die erstmals seit 20 Jahren wieder vollstreckte Todesstrafe an einem nepalesischen Gastarbeiter in 2020.

Umstritten seit der Vergabe

Die WM in Katar ist seit dem Vergabeentscheid vor zwölf Jahren umstritten. Beim Weltfussballverband FIFA sorgten unter anderem mutmassliche Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe im Zusammenhang mit der Vergabe für eine negative Berichterstattung. Nichtregierungsorganisationen werfen dem Golfstaat schwere Menschenrechtsverletzungen vor. So gilt in Katar das islamische Recht -  Frauen sind nicht gleichberechtigt. Sex ausserhalb der Ehe oder zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern sind in dem muslimischen Staat verboten und werden mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet. Und auch der Bau der Stadien wirft lange Schatten: 6500 Gastarbeiter sollen Schätzungen zufolge dabei ums Leben gekommen sein. In Katar leben Gastarbeiter aus Ländern wie Nepal, Bangladesch oder Pakistan meist in prekären Bedingungen und arbeiten zu Niedrigstlöhnen.

Neuendorf ist dieser Tage mit der Deutschen Innenministerin Nancy Faeser in Katar. Mit Blick auf die Delegationsreise wie auch das Turnier selbst bittet die EKD den Sportmanager, klare Zeichen zu setzen: Etwa Arbeitsmigranten und -migrantinnen in ihren Wohnquartieren zu besuchen und sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen. Und öffentlich für die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten einzutreten.

Kaum besinnliche Adventsstimmung

Neben Kritik an der Vergabepraxis des Turniers bringen Kurschus und Latzel auch ökologische Bedenken an. Denn der Wettkampf findet im Land mit dem höchsten CO2-Pro-Kopf-Verbrauch weltweit statt. In mehreren Interviews führt der Fussballbeauftragte Latzel die Position der EKD weiter aus. Er spricht von einem «Ausverkauf von Werten, der letztlich dem Sport massiv schade». Die politische Instrumentalisierung von sportlichen Großveranstaltungen sei ebenso problematisch wie die völlige Unterordnung von ethischen, sportlichen, aber auch religiösen Aspekten unter rein ökonomische Anliegen. Eine derartige Entwicklung laufe der Idee einer Völkerbegegnung, die Frieden und Verständigung fördert, entgegen.

Die Kirchgemeinden fordert Latzel dazu auf, sich dem Thema WM in Katar anzunehmen und die Menschenrechtsverletzungen sowie die ökologische Verantwortungslosigkeit der Veranstaltung zu thematisieren. Die Kirchgemeinden müssen sich zudem der Tatsache stellen, dass die Weltmeisterschaft in den Advent fällt. Wegen der sommerlichen Hitze in Katar wurde das Turnier erstmals in den Winter verlegt – ungünstig aus Sicht vieler Gläubigen, nicht nur der Christen. Die Juden feiern in der Zeit Chanukka. Kurschus und Latzel gehen davon aus, dass sich die Weltmeisterschaft auf die Stimmung im öffentlichen Raum auswirken wird. Dies werde Menschen, die diese Wochen als besinnliche Zeit erleben möchten, beeinträchtigen, schreiben sie.