Recherche 14. April 2016, von Delf Bucher

Kein Bischof von Roms Gnaden

Bistum Zürich

Ein neues Bistum Zürich? Diese Frage hat Bischof Huonder in den Raum gestellt. Die Gegenfrage lautet: Darf die Ortskirche bei der Bischofswahl mitbestimmen?

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit überraschte der 74-jährige Vitus Huonder mit einem Coup: Eine Umfrage soll ausloten, ob die katholischen Körperschaften seines riesigen Bistums ein eigenständiges Bistum Zürich wünschen.

Neue Bistümer. Er nahm damit eine Forderung auf, die 2013 von der Zürcher Körperschaft deponiert worden war. Demografisch gesehen waren mit mehr als 390 000 Katholiken im Kanton Zürich die Voraussetzungen für ein eigenes Bistum längst geschaffen. Jetzt aber, da der Ball vom erzkonservativen Bischof aufgegriffen wurde, regte sich in allen Teilen des riesigen Bistums Opposition. Aus Innerschweizer Sicht will Generalvikar Martin Kopp die Urkantone nicht als Teil eines kleineren Bistums Chur sehen und plädiert für die Beibehaltung des bisherigen Bischofsverbands als «Schicksals- und Solidargemeinschaft seit 200 Jahren». Urban Federer, Abt von Einsiedeln und Mitglied der Schweizerischen Bischofskonferenz, macht sich wiederum für ein Doppelbistum wie in Südtirol mit Brixen-Bozen stark. Dieser Variante schliesst sich auch der Zürcher Generalvikar Josef Annen an.

Die Forderung nach dem Doppelbistum ist keineswegs neu. Der frühere Synodalratspräsident René Zihlmann setzte sich bereits 2006 für diese Lösung ein. «Eigentlich war alles schon unterschrifts­reif», erinnert sich Zihlmann zurück. «Aber der da­malige Churer Bischof Amédée Grab zauderte im letzten Moment.»

Kein Mitspracherecht. In Zürich selbst, das seit den Turbulenzen um Bischof Haas in den 1990er-Jahren ein eigenständiges Bistum fordert, warnen heute viele Stimmen vor einem neuen Bistum. Denn mit grosser Wahrscheinlichkeit würde dies bedeuten: kein Mitspracherecht bei der Wahl des neuen Bischofs. Der Grund: 1983 änderte der damalige Papst Johannes Paul II. die Bischofseinsetzung. Von nun an lag sie ganz in den Händen des römischen Oberhirten. Seither unterstellt sich jedes neu gegründete Bistum diesem Kodex.

Pseudodemokratie. Der Kapuziner Willi Anderau aus Zürich kann den taktischen Finessen in der aktuellen Diskussion nicht viel abgewinnen. Er erinnert an die kuriose Wahl von Vitus Huonder zum Bischof im Jahr 2007. Damals sandte der Vatikan dem Churer Domkapitel, ein Wahlgremium aus allen Kantonen des Bistumsverbands, eine Auswahl von drei Kandidaten. Zwei Anwärter hatten keine Ahnung von der Schweizer Kirchenlandschaft und einer davon war nicht einmal des Deutschen mächtig. So war Huonder alternativlos.

Transparenz statt Mauschelei. Bis heute weiss niemand, wer diese Dreier-Liste zusammengestellt hatte. Die kirchenrechtliche Vorschrift zur strengsten Verschwiegenheit im Wahlverfahren ist für Anderau ein Einfallstor für «Mauscheleien und Manipulationen». Weiter sagt er: «Das Verfahren entspricht nicht einem mündigen Volk Gottes, sondern mehr einer Feudalherrschaft.» Unter Berufung auf die Forderung von Papst Franziskus, dass die Ortskirchen neue Ideen entwickeln sollten, zieht er folgendes Fazit: «Statt um ein bescheidenes Wahlrecht zu kämpfen, sollte das Wahlverfahren grundsätzlich infrage gestellt werden.»