Recherche 26. Juli 2018, von Felix Reich

«Ich hoffe auf einen Bischof, der zuhört»

Ökumene

Franziska Driessen, neue Präsidentin des Syndalrats der Zürcher Katholiken, sagt, warum Chur manchmal weit weg ist von Rom.

Sie haben Ihr Amt als Synodalrats­präsidentin der katholischen Kirche im Kanton Zürich im Juli angetreten. Mit welchen Zielen?

Franziska Driessen: In den letzten Jahren waren wir stark mit der Verwaltung beschäfigt. Das war auch nötig für das neue Kirchengesetz. Jetzt ist die Zeit gekommen, stärker zu gestalten. Das bedeutet auch, bestehende Angebote kritisch zu hinterfragen. Die Wahrnehmung der Kirche verändert sich laufend. Nicht zuletzt müssen wir die Kommunikation verbessern. Es läuft so viel Gutes in den Pfarreien, das zu wenig wahrgenommen wird. Da sind uns die Reformierten voraus.

Wie gross ist Ihr Gestaltungsspielraum in der Doppelstruktur mit anerkannter Körperschaft und Kirche überhaupt? Sobald es wichtig wird, brauchen Sie den Generalvikar.

Wir sind uns unserer Grenzen bewusst. Es ist aber nicht so, dass wir einfach nur die Finanzen sprechen und uns nicht um pastorale Fragen kümmern. Der Austausch ist intensiv. Und Kirche sein können wir im Kanton Zürich nur im Doppelpack: Synodalrat und Generalvikariat.

Sie sind die erste Frau an der Spitze des Synodalrats. Ist das ein Signal für die ganze katholische Kirche?

Dass die Frauenfrage nach meiner Wahl derart viel Gewicht erhiehlt, war ein Medienhype. Andere Landeskirchen haben früher Frauen an ihre Spitze gewählt. Aber wenn ich eine Hoffnungsträgerin für andere Frauen sein kann, freut mich das.

Hoffnungsträgerin wofür?

Dass die Frauen in der katholischen Kirche in jenen Bereichen, in denen sie sich engagieren können, ­eine Chance auf Spitzenämter haben.

Dass die Mitbestimmung auf die Verwaltung beschränkt bleiben muss, frustriert Sie nicht?

Wenn die Reformierten 100 Jahre Frauenordination feiern und das Gleiche in der katholischen Kirchen noch immer nicht möglich ist, dann ist das ein Frust. Für mich persönlich weniger, weil ich nie Theologie studieren wollte. Dass fortschrittliche Stimmen gehört werden, ist wichtig. Nur müssen wir uns bewusst sein, dass sich diese alte, riesige Weltkirche nicht von heute auf morgen verändert. Und jene, die ein Priestertum für Frauen fordern, sind noch immer in der Minderheit.

Rom ist weit weg. Chur ist ein wenig näher. Ist ein Antrittsbesuch beim Bischof Pflicht für eine frisch gewählte Synodalratspräsidentin?

Ich werde es versuchen. Als ich im Synodalrat für die Migrantenseelsorge zuständig war, hatte ich einen guten Austausch mit dem Bischof.

Nun werden Sie nicht mehr nur über Seelsorge sprechen können.

Rom ist weit weg, Chur manchmal auch. Das ist gar nicht schlecht. Es ist natürlich schwierig, wenn sich Bischof Vitus Huonder und Leute um ihn herum öffentlich gegen das landeskirchliche Modell stellen. Zum Glück haben wir mit Josef Annen einen dialogbereiten Generalvikar in Zürich. Andere Bistümer zeigen, dass es funktionieren kann. In St. Gallen nimmt der Bischof an den Sitzungen der Körperschaft teil. Es müsste auch bei uns möglich sein, dass Bischof und Körperschaft am gleichen Strick ziehen.

Ist diese Hoffnung realistisch?

Es ist ein frommer Wunsch, und wir beten fleissig dafür. Ich hoffe einfach, dass wir in einem Jahr einen neuen Bischof erhalten, der gerne nach Zürich kommt und hier auch einfach einmal zuhört.

Wie steht es um die Ökumene?

Für mich ist Ökumene eine Selbstverständlichkeit. Mein Vater war reformiert, meine Mutter katholisch. In unserer Pfarrei in Opfikon wird nicht nur in der Diakonie zusammengearbeitet, sondern auch gemeinsam Gottesdienst gefeiert.

Für Priester, die aus Polen oder Nigeria hierher kommen, ist Ökumene weniger selbstverständlich.

Das ist eine grosse Herausforderung. Den Priestern müssen wir ja zuerst erklären, wie hier die katholische Kirche funktioniert. Ihnen dann zu helfen, auf die Reformierten zuzugehen, ist unsere Pflicht.

Sie wollen den orthodoxen Kirchen zur Anerkennung verhelfen. Den Reformierten scheint die Frage weniger wichtig. Würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?

Immerhin half mit Peter Wittwer ein reformierter Pfarrer, dass die orthodoxen Gemeinden einen Verein gegründet haben, was Voraussetzung für eine Anerkennung ist. Der Kirchenrat agiert tatsächlich zurückhaltender. Das liegt auch an den unterschiedlichen Geschichten der beiden Landeskirchen.

Inwiefern?

Für die Katholiken war die Anerkennung 1963 wichtig, um im reformierten Zürich Fuss zu fassen. In der Abstimmung brauchten wir die Hilfe der Reformierten. Diese gelungene Integrationsgeschichte verpflichtet uns, die nächsten Ankömmlinge und somit die Orthodoxen zu unterstützen. Auch muslimische Gemeinden gehören dazu, wenn sie bereit sind, die Auflagen zu erfüllen. Wie die Anerkennung konkret aussieht, ist völlig offen.

Kurz nach Ihrer Wahl haben Sie sich in die Nesseln gesetzt, weil Sie den Satz von Weihbischof Peter Henrici zitierten, die SVP sei für gute Christen nicht wählbar.

Meine Aussage wurde aus dem Zusammenhang gerissen und löste heftige Reaktionen aus. Sie ermöglichte aber auch gute Gespräche. Ich will ganz sicher niemandem das Christsein absprechen. Die Kirche hat keine politische Agenda, sie ist offen für alle Menschen, unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status und ihrer politischen Einstellung. Ich habe meine Aussage allein auf die Asylpolitik bezogen.

Die SVP betreibt also eine unchristliche Flüchtlingspolitik?

Man kann das nicht nur der SVP in die Schuhe schieben. Das Zürcher Stimmvolk hat den vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen die Sozialhilfe gestrichen. Die Bibel würde uns jedoch zu Nächstenliebe und Gastfreundschaft verpflichten.

Auch CVP-Kantonsräte haben den Sozialhilfestopp mitgetragen. Können Sie als Christin die Partei noch guten Gewissens wählen?

Wir haben zu Hause einen Flüchtling aufgenommen und wunderbare Erfahrungen gemacht. Ich bin überzeugt, wir wären auf einem anderen Weg, wenn wir diese Menschen besser unterstützen und ihnen mehr zutrauen würden. Ich habe tatsächlich Mühe mit dem Kurs der CVP in der Asylpolitik. Trotzdem bin ich gerne Mitglied. Wenn ich gleich austrete, nur weil ich in einer Frage nicht gleicher Meinung bin, kann ich in keiner Partei sein.

Aber das C würde die CVP zu einer anderen Asylpolitik verpflichten?

Ja.

Franziska Driessen-Reding, 48

Am 12. April hat die Synode der katholischen Kirche des Kantons Zürich Franziska Driessen zur Synodalratspräsidentin gewählt. Seit Juli steht sie nun der Exekutive der katholischen Körperschaft vor, die vom Kanton seit 55 Jahren öffentlich-rechtlich anerkannt ist. Driessen folgte auf Benno Schnüriger, der nach elf Jahren im Amt zurückgetreten war. Bisher war sie Vizepräsidentin des Synodalrats und für die Migrantenseelsorge verantwortlich. Die ausgebildete Hauswirtschaftslehrerin wohnt in Opfikon.