Der Schweizerische Antisemitismusbericht zeigt: Die Pandemie fördert antisemitisches Gedankengut, insbesondere im Internet. Überrascht Sie das?
Nein, ich habe damit gerechnet. Kaum gab es die ersten Schlagzeilen über Corona in Europa, war es nur noch eine Frage der Zeit. Juden waren schon immer die Sündenböcke bei Epidemien und Katastrophen. Zu Zeiten der Pest wurden sie beschuldigt, Brunnen vergiftet zu haben, 1348/49 kam es in Deutschland deshalb zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen sie, zu entsetzlichen Pogromen. Auch die Schweinepest sollen Juden eingeführt haben, obwohl sie Schweinefleisch nicht einmal essen. Ebola war auch so ein Thema. Und selbst den Tsunami haben sie angeblich ausgelöst – mit Unterwasser-Bomben im Pazifik. Das ist das Besondere am Antisemitismus, er passt sich den Zeitläufen an. Die Bilder, die dabei benutzt werden, bleiben dabei die gleichen.
Welche zum Beispiel?
Etwa das Konterfei des «happy merchant», des umtriebigen jüdischen Händlers, der sich die Hände reibt. Der hat jetzt einfach eine Spritze in der Hand, nach dem Motto: «Wir impfen Euch das Virus ein». Oder es sind Personen aus der realen Welt, die beschuldigt werden, etwa der jüdische Investor George Soros. Er hat in den letzten Jahren die Familie Rothschild abgelöst als angeblicher Verursacher allen Übels. Diese Phänomene sind altbekannt, über das Internet mit den sozialen Medien lassen sich solche Theorien und Bilder nur noch viel schneller verbreiten.