Wegen Ihres Menschenrechtsengagements in der Sowjetunion verbrachten Sie zehn Jahre Ihres Lebens in Arbeitslager und Verbannung. Was hat diese Zeit mit Ihnen als Mensch gemacht?
In erster Linie machte mich die Zeit zu einem Gläubigen. Ich wuchs zwar in einem christlichen Elternhaus auf, aber ich habe als junger Mann nicht an Gott geglaubt. In der Haft hatte ich dann mehrere Erweckungserlebnisse, die meinen Blick auf das Leben und das Universum veränderten. Nun verstand ich, dass Gott die Essenz unseres Lebens ist, das hat mir damals sehr geholfen.
Auch weitere Häftlinge fanden in den Lagern zum Glauben, wie Sie in Ihrer Autobiografie schreiben. Wie erklären Sie sich das?
Das liegt nicht etwa an der Verzweiflung der Menschen. Ich glaube, es verhält sich wie mit einem Blinden, dessen andere Sinne schärfer werden. In den Lagern gab es keine Bibeln, Gottesdienste, Liturgien – all das war verboten. Aber die Präsenz Gottes war stark spürbar, stärker als später in Freiheit.
Mehrfach wurden Sie aufgefordert, Ihre «Vergehen» zu bereuen, vielleicht hätten Sie damit Ihre Strafe mindern können. Warum war das nie eine Option?
Das war die wichtigste Entscheidung meines Lebens. Viele Dissidenten waren ehrliche Menschen mit reinen Herzen. Ich sah, wie sie litten, und wollte ihnen zur Seite stehen. Vor meiner Verhaftung war ich einmal in Moskau. Ich stand auf dem Roten Platz, der Kreml wirkte so mächtig, so unzerstörbar. Später traf ich einen Freund, auch er war Mitglied der ukrainischen Helsinki-Gruppe. Wir umarmten uns, redeten lange, es war eine intensive Begegnung. Ich dachte mir: Nein, unsere Kraft ist stärker als die staatliche Macht. Vaclav Havel nannte das die «Macht der Machtlosen».
