«Religionen grenzen Frauen aus»

Kirche

Mit ihrem Austritt lösten sechs katholische Frauen starke Reaktionen aus. Die Bernerin Ruth-Gaby Vermot kritisiert aber nicht nur die Kirche von Rom.

«Wir gehen», lautete der Titel der Botschaft. Sie hätten ihn sehr bewusst gewählt, sagt Ruth-Gaby Vermot-Mangold. Die ehemalige Berner Nationalrätin trat im November zusammen mit fünf anderen Frauen und einem offenen Brief aus der Römisch-katholischen Kirche aus. Die Äusserung von Papst Franziskus vom 10. Oktober, eine Abtreibung sei wie ein Auftragsmord, habe «das Fass zum Überlaufen gebracht», schrieben die Frauen – neben Vermot waren das die Theologinnen Doris Strahm und Regula Strobel, die ehemaligen Nationalrätinnen Cécile Bühlmann und Monika Stocker sowie Anne-Marie Holenstein, Mitgründerin des Hilfswerks «Erklärung von Bern».

«Verletzende Aussage»

«Es ist eine entsetzlich verletzende Aussage eines Kirchenoberhauptes», hält Ruth-Gaby Vermot fest. «Dass man Frauen so etwas vorwirft, zeugt von einem totalen Unverständnis für ihre Not und macht sie zu Kriminellen.» Wichtig ist ihr jedoch, dass nicht einfach diese Aussage der Grund war für den Austritt der sechs Frauen. Die jahrhundertealte Frauenfeindlichkeit hätten sie immer wieder zum Thema gemacht: das menschenrechtsverletzende Verhalten der Kirche, die unentwegte Diskriminierung der Frauen und die «weltfremde Bestimmung» darüber, wie sie ihre Sexualität zu leben hätten.

Der Austritt sei vor allem ein Zeichen dafür, dass sie eine Kirche mit so «verkalkten Strukturen» nicht mehr wollten, betont Ruth-Gaby Vermot. Mit ihrem Glauben habe dies nichts zu tun. Und: «Lokale Kirchen leisten häufig eine super Arbeit für Flüchtlinge, Kranke, Ein­same – für Menschen eben. Damit werden auch meine Werte vertreten.» Doch träten diese Kirchen zu leise auf – schliesslich litten sie selbst unter den patriarchalischen Strukturen, findet die Feministin und fordert: «Es braucht dringend mutigere und aufmüpfigere lokale Kirchen. Gemeinsam hätten sie viel positive Kraft.»

«Glaube nicht an Dialog»

Reaktionen auf den öffentlichen Austritt gab es viele, sagt Ruth-Gaby Vermot, vor allem positive. Manche hätten eingewendet, es würde mehr bringen, in einen Dialog zu treten. Doch da wird die Feministin noch einen deutlichen Zacken entschiedener: «Das haben viele von uns schon lange getan. Es hat nichts gebracht, ich glaube nicht daran. Diese Männerkirche muss sich zuerst selbst abbauen.»

Eine Reaktion ist auch ein weiterer Brief, den über 300 Frauen und Männer aus kirchlichem Umfeld unterzeichnet haben. Am 2. Dezember publizierten die Theologinnen Monika Hungerbühler und Jacqueline Keune unter dem Titel «Eine Kirche umfassender Gleichwertigkeit» das Schreiben. Es ruft die Kirche auf, «jede Herabsetzung von Frauen, von Menschen, endlich aus all ihrem Denken, Glauben, Reden, Schreiben und Tun zu verbannen».

Ruth-Gaby Vermot braucht für sich selbst keine kirchliche Insitution mehr. Zentral für die Kämpferin ist auch, dass nicht einfach die katholische Kirche anzuklagen sei: «In allen Religionen werden Frauen ausgegrenzt und entwürdigt. Man muss es in einen grösseren Zusammenhang setzen», sagt sie. Und gegen diesen grossen Missstand anzugehen, sei nur «mit viel Unerbittlichkeit und dem energischen und konsequenten Nein vieler Menschen» möglich.

Ruth-Gaby Vermot-Mangold, 77

Die ehemalige Politikerin sass ab 1986 bis 2007 für die SP im Berner Stadtrat, im Grossen Rat und im National- sowie Europarat. Die promovierte Ethnologin und Soziologin war Initiantin und Präsidentin der Kampagne «1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005». Sie präsidiert ausserdem die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht.