Der Kanton stand unter Druck. Politiker hatten in den letzten Jahren wiederholt eine Entflechtung oder gar Trennung von Kirche und Staat gefordert. Seis aus politischen, weltanschaulichen, juristischen oder finanziellen Gründen. Nun präsentiert der Regierungsrat seinen Vorschlag zur «Weiterentwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat».
Dieser ist nicht revolutionär, sieht aber doch einige wesentliche Änderungen gegenüber heute vor. Drei Kernpunkte des Vorschlags: Die reformierten, katholischen und christkatholischen Pfarrerinnen und Pfarrer sollen künftig nicht mehr Angestellte des Kantons sein, sondern der Landeskirchen. Die Festlegung der Pfarrstellenprozente pro Gemeinde, heute eine Aufgabe des Kantons, soll neu Sache der Landeskirchen sein. Und die Kirchensteuer für juristische Personen würde zwar nicht abgeschafft; die rund 35 Millionen Franken müssten aber «positiv zweckgebunden», also für die Finanzierung allgemeiner Dienstleistungen verwendet werden.
Bewahren. Verworfen hat der Regierungsrat eine Ablösung der sogenannten «historischen Rechtstitel» aus dem Jahr 1804. Mit diesen wird die Pfarrbesoldung durch den Kanton begründet. Ob diese Besoldungspflicht heute immer noch bindend ist, beurteilen Juristen unterschiedlich. Die Experten Muggli/Marti kommen in ihrem Bericht jedoch zum Schluss, eine entschädigungslose Annullierung der historischen Verträge sei rechtlich und politisch nicht zu vertreten.
Nicht zur Diskussion steht für den Regierungsrat eine volle Anerkennung anderer Religionen. Eine solche sei im Moment nicht mehrheitsfähig.
Das umstrittene System der Pfarrbesoldung möchte der Regierungsrat durch ein «zeitgemässeres Beitragssystem» ablösen. Grundsätzlich will er aber die «historischen Ansprüche» respektieren und die Landeskirchen weiterhin aus Kantonsmitteln alimentieren. Zu den finanziellen Folgen für die Kantonsrechnung sagt der Bericht nichts.
Auslagern. Die Stellen des kantonalen Beauftragten für kirchliche Angelegenheiten und seiner Mitarbeitenden (rund zwei Vollzeitstellen) gehen vom Kanton an die Landeskirchen über. Damit wäre das historisch gewachsene, europaweit einmalige Kirchen-Staat-System des Kantons Bern Geschichte (siehe auch Artikel auf Seite 2).
Der Bericht geht jetzt ans Parlament. Der Grosse Rat berät in der Septembersession darüber. Vorher werden die Synoden der drei Landeskirchen sowie Kirchgemeindeverband und Pfarrverein ihre Stellungnahmen dazu verabschieden. Die geplanten Änderungen setzen eine Totalrevision des Kirchengesetzes von 1945 voraus. Das revidierte Kirchengesetz untersteht nach Verabschiedung im Parlament dem fakultativen Referendum.
Die Debatte ist lanciert. Es ist zu erwarten, dass der Bericht auf Widerstand stösst. Insbesondere bei den Pfarrpersonen, die ihren Status als Kantonsangestellte verlören. Einzelne Vertreter haben in der Vergangenheit wiederholt das ausbalancierte Berner System mit der dreifachen Anbindung der Pfarrer an Kirchgemeinde, Synodalrat und Kanton verteidigt.
Kommentar von Hans Herrman
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