«Mit Befriedigung» habe er das Resultat zur Kenntnis genommen, sagte Andreas Zeller, Synodalratspräsident der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Michael Graf, Präsident des Pfarrvereins, hingegen schwankte «zwischen sehr zufrieden und unglücklich». Diese Befindlichkeiten äusserten die beiden Kirchenmänner im Anschluss an die längste Debatte in der Septembersession des bernischen Grossen Rates: jener zum Bericht des Regierungsrates übers Verhältnis von Kirche und Staat. Markanteste Änderung: Die Pfarrpersonen sollen von Staats- zu Kirchenpersonal werden.
Wurstelei. Der Pfarrverein habe sein Hauptziel zwar nicht erreicht, erklärte Michael Graf: «Wir plädierten dafür, zuerst Strategien zu erarbeiten und erst bei der Kirchengesetzrevision zu entscheiden, welches Dienstverhältnis ideal ist.»
In eine ähnliche Richtung hatte im Vorfeld der Debatte eine «unheilige Allianz» Diskussionen entfacht. Vier Grossräte von SVP, BDP, SP und Grünen wollten den Bericht zurückweisen und mit mehr Tiefe und Breite weiter ausarbeiten lassen. «Es ist keine Vision, kein Konzept, sondern einfach eine Wurstelei», begründete Matthias Burkhalter (SP) sein Engagement für die Rückweisung.
Der parteiübergreifende Antrag hatte aber ebenso wenig Chancen wie zwei andere, die in entgegengesetzte Richtungen gingen: Patric Bhend (SP) – unterstützt von den Grünliberalen – forderte unter anderem eine «klare Strategie» zur Trennung von Kirche und Staat, Thomas Knutti und Samuel Krähenbühl (SVP) wollten hingegen überhaupt nichts ändern.
Wertedebatte. «Sehr zufrieden» zeigte sich Pfarrvereinspräsident Graf aber damit, dass überhaupt eine «so grosse Debatte» ausgelöst wurde: «Das Parlament diskutierte sehr differenziert, das Thema bekam in der Öffentlichkeit einen Drive – und allfällige Sparabsichten wurden gestrichen.»
Synodalratspräsident Andreas Zeller sieht das auch als ein Verdienst der Landeskirchen: «Wir haben viel dafür getan, dass es keine Finanz-, sondern wirklich eine Wertedebatte wurde.» Auch dank einer dem Bericht zugrunde liegenden Studie über das Verhältnis von Kirche und Staat und die Leistungen der Kirche sei ins Bewusstsein gedrungen, welch wichtige Bedeutung die Landeskirchen tatsächlich hätten.
Vom Staat zur Kirche. Durch die Kenntnisnahme des Berichts mit acht Leitsätzen beschloss das Parlament, dass Geistliche künftig nicht mehr Angestellte des Staates sein sollen, sondern der reformierten, römisch-katholischen und christkatholischen Landeskirchen. Eine Mehrheit verlangte die Präzisierung, dass die «Anforderungen an Geistliche im heutigen Umfang» mindestens erhalten bleiben müssen.
Finanzierung über Leistungsaufträge. Für die Finanzierung der Landeskirchen soll ein neues, «zeitgemässes und verlässliches» System ausgearbeitet werden, heisst es im sechsten Leitsatz der Regierung. Der Grosse Rat ergänzte den Vorschlag: Das neue System darf nun explizit keine Mehrbelastung der Einwohnergemeinden verursachen. Zudem muss es Leistungen der Landeskirchen in Leistungsaufträgen festhalten.
Kirchgüter bleiben beim Kanton. Im kürzesten Leitsatz, den das Parlament bestätigte, geht es um eine alte und weiterhin gültige Besonderheit: «Auf die Ablösung der historischen Rechtstitel wird verzichtet.» Die Regelung stammt aus dem Jahr 1804. Der Staat Bern zog damals Kirchengüter ein und verpflichtete sich im Gegenzug, die Geistlichen zu besolden.
Bei einer konsequenten Trennung von Kirche und Staat müsste der Kanton den Kirchen wohl Milliarden für die Kirchengüter zahlen. In der Studie «Das Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern», die dem Bericht des Regierungsrates zugrunde liegt, wird es als «unmöglich oder jedenfalls mit unverhältnismässigem Aufwand» beschrieben, den konkreten Bestand und Wert der damals übernommenen Vermögenswerte festzustellen.
Firmen zahlen weiter. Mit einer klaren Mehrheit befürwortete der Grosse Rat auch, dass juristische Personen (Firmen) weiterhin Kirchensteuer bezahlen müssen. Diese Steuer soll künftig zweckgebunden sein und nicht für kultische Zwecke eingesetzt werden. Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag des Regierungsrates wird nun aber nicht verlangt, dass die Kirchgemeinden transparent machen, wie sie diese Steuererträge einsetzen.
Vorläufig kein Anerkennungsgesetz. Verzichten wird der Kanton Bern hingegen «bis auf Weiteres» auf ein allgemeines Anerkennungsgesetz. Damit würden neben den drei Landeskirchen auch andere Glaubensrichtungen anerkannt. Dafür sollen gemäss Leitsatz acht «andere Massnahmen zu Förderung von Religionsgemeinschaften» geprüft werden, die «gesellschaftlich relevante Leistungen» erbringen.
Änderungsanträge fanden hier einige Sympathie. Vor allem links-grüne Ratsmitglieder und die EVP wollten den Regierungsvorschlag ersetzen durch Leitsätze, die Religionsgemeinschaften mit gesellschaftlich relevanten Leistungen zumindest besser unterstützt hätten.
Etwa 35'000 Personen seien im Kanton Bern Mitglieder von Freikirchen, sagte beispielsweise Barbara Streit (EVP): «Freikirchen verdienen das Unbedenklichkeitslabel der Landeskirchen auch: Sie leisten ebenfalls gemeinnützige Arbeit. Hier ist Anerkennung notwendig.» Trotzdem lehnte der Grossrat die total vier Änderungsanträge mit 82:53 Stimmen oder deutlicher ab.
Knochenarbeit beginnt jetzt. Einig sind sich sowohl Regierungsrat und Kirchendirektor Christoph Neuhaus als auch Zeller und Graf: Jetzt beginnt die Knochenarbeit. «Wir werden uns bei der Kirchengesetzrevision einbringen und werden neu Arbeitgeber der über 500 Pfarrpersonen», sagt Andreas Zeller. Und, gibt Michael Graf zu bedenken, «innerkirchlich» müsse ebenfalls sehr viel geschehen.