Recherche 28. Oktober 2015, von Christa Amstutz Gafner

Schweizerinnen und Schweizer wollen keine Designerbabys

Fortpflanzungsmedizin

Eine Umfrage von «reformiert.» zeigt: Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer will am Anfang des Lebens nicht alles erlauben, was machbar ist.

Die Fortpflanzungsmedizin macht vieles möglich, stellt die Menschen aber auch vor schwierige ethische Entscheidungen. «reformiert.» wollte herausfinden, was die Schweizerinnen und Schweizer von Leihmutterschaft, leiblichen Kindern für gleichgeschlechtliche Paare und Social Freezing halten. Und was sie grundsätzlich über die Fortpflanzungsmedizin denken.

In einer repräsentativen Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Demoscope 1003 Personen befragt. Der Grundtenor: Mehr Ablehnung als Zustimmung für neue Möglichkeiten, aber auch kontroverse Ergebnisse. Was unbestritten ist: Geschlechterselektion darf nicht sein. 86 Prozent der Befragten finden es richtig, dass künstlich gezeugte Embryonen nicht nach Mädchen und Junge ausgewählt werden dürfen.

Nicht alles testen. Ganz im Sinne der Befragten dürfen mit der Präimplantationsdiagnostik, die das Volk im Juni guthiess, weder das Geschlecht noch bestimmte Körpermerkmale des Embryos ausgewählt werden. Das neue Gesetz erlaubt nur Tests auf schwere Erbkrankheiten und Chromosomenstörungen. Doch auch diese sind umstritten. Die Unterschriftensammlung für eine Abstimmung über das Fortpflanzungsmedizingesetz läuft. Der Evangelische Kirchenbund begrüsst das Referendum.

Ist das Umfrage-Nein zur Geschlechterwahl auch eine klare Absage ans Baby nach Wunschkatalog? Ruth Baumann-Hölzle, Leiterin des Instituts Dialog Ethik, ist skeptisch. «Schon jetzt sind Selektionen im Grenzbereich zwischen Gesundheit und Krankheit erlaubt, die der Menschenwürde widersprechen und die vor einiger Zeit noch klar abgelehnt worden wären.»

Heute seien theoretisch 700 bis 800 Eigenschaften testbar, zum Beispiel spätere Krankheiten wie bestimmte Brustkrebsformen. «Die Ansprüche an ein Kind wachsen ständig», sagt die Ethikerin.

Nicht jederzeit ein Kind. Auf wenig Zuspruch stösst in der Umfrage auch das Social Freezing. Es steht heute jeder Frau frei, vorsorglich eigene Eizellen einfrieren lassen, um mit künstlicher Befruchtung auch spät noch schwanger zu werden.

40 Prozent der Befragten finden diese Möglichkeit eher schlecht, 27 Prozent sehr schlecht. Bisher wurde das Verfahren vor allem angewandt, wenn der Frau wegen einer Krebstherapie die Unfruchtbarkeit drohte. Die Nachfrage nach der Eizellenvorsorge aus rein familienplanerischen Gründen, die auch an Schweizer Unispitälern angeboten wird, ist zwar noch nicht riesig.

«Sie wird aber zunehmen», sagt der Reproduktionsmediziner Jean-Claude Spira. In seinem Kinderwunschzentrum in Basel lassen sich rund fünf Frauen im Monat über Social Freezing beraten, etwa drei von ihnen entscheiden sich dafür. Sie tun dies meist, weil sie noch keinen Partner haben und ihre biologische Uhr tickt.

Ob eine In-vitro-Fertilisation mit den eingefrorenen Eizellen dereinst erfolgreich sei, hänge von vielen Faktoren ab, sagt Spira. Er plädiert dafür, die Familie genauso früh zu planen wie die Karriere: «Eine natürliche Schwangerschaft ist immer noch die beste Wahl.»

Das Social Freezing wirft neue ethische Fragen auf. Noch gibt es keine gesetzliche Altersgrenze für eine In-vitro-Fertilisation. Es ist dem gesunden Ärzteverstand überlassen, ob eine Frau mit sechzig noch ein Kind bekommen soll.

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