Recherche 28. Juli 2022, von Mirjam Messerli

«Pluto» lässt Jugendliche sicher träumen

Notschlafstelle

Bei «Pluto» in Bern finden junge Menschen seit Ende Mai ein sicheres Nachtlager und Unterstützung. Das Angebot wird bereits rege genutzt und der Platz manchmal knapp.

Im Zimmer mit dem hellen Holzboden ist das Bett abgezogen, der Nachttisch bis auf eine Lampe leer. Letzte Nacht hat hier eine junge Frau geschlafen, die nicht in ihr Elternhaus zurückkehren wollte. Dort kommt es regelmässig zu heftigen Konflikten, die 15-Jährige wird auch geschlagen. In der Jugend-Notschlafstelle Pluto in Bern konnte die junge Frau in Sicherheit übernachten, zur Ruhe kommen und mit Unterstützung von Fachpersonen überlegen, wie es weitergehen soll.

Bereits häufig volles Haus

Dieses Beispiel ist fiktiv, aber, wie Mina Ruoss vom achtköpfigen Team der Notschlafstelle Pluto betont, realistisch. Letzte Nacht waren alle sieben Betten im Haus am Rand des Länggassquartiers belegt – wie bereits in etlichen Nächten seit der Eröffnung von Pluto Ende Mai. Auch ein Hund hat hier übernachtet. Die jugendlichen Gäste dürfen sogar ihre Haustiere mitbringen. «Bei uns suchen Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten Zuflucht», sagt Ruoss. Gemeinsam ist ihnen, dass sie zwischen 14 und 23 Jahre jung sind, in einer Notsituation und sonst nirgendwo hingehen können.

Dass es ein Bedürfnis nach Notfallschlafplätzen für Jugendliche und junge Erwachsene gebe, sei bereits vor der Eröffnung von Pluto klar gewesen, erzählt Sozialpädagoge Robert Sans, der bei der Planung des neuen Angebots involviert war. Entsprechende Rückmeldungen von Organisationen wie der Gassenarbeit hätten das gezeigt. «Aber wir hatten keine Ahnung, dass die Nachfrage rasch derart gross sein wird.»

Nach nur anderthalb Monaten hat sich das Angebot herumgesprochen. Pluto ist auch in den sozialen Netzwerken präsent. Das Ziel ist, dass niemand abgewiesen werden muss. Sind die sieben Betten in den Einzel- und Doppelzimmern besetzt, behilft sich das Team mit zusätzlichen Matratzen. Sollte wirklich jede Ecke im Haus belegt sein, wird nach einer externen Übernachtungslösung gesucht. Ein vergleichbares Angebot für Jugendliche gibt es sonst nur in Zürich.

Jetzt, wo klar ist, dass es uns braucht, wollen wir die langfristige Finanzierung sichern.
Robert Sans, Mitarbeiter im Team Pluto

«Jetzt, wo klar ist, dass es uns braucht, wollen wir die langfristige Finanzierung sichern», sagt Sans. Initiiert hat die Notschlafstelle der Verein «Rêves sûrs – sichere Träume». Im Verein haben sich Organisationen zusammengeschlossen, die in der Jugend- und Obdachlosenarbeit engagiert sind. Er ist politisch und konfessionell unabhängig. Finanziell getragen wird das Projekt während der dreijährigen Pilotphase von verschiedenen Organisationen, so beispielsweise von der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern und der Katholischen Kirche Region Bern. Die Stadt Bern vermietet dem Verein die Liegenschaft zu günstigen Konditionen und hat auch bei der sanften Sanierung des ehemals privaten Wohnhauses geholfen.

Obdach, Schutz und Hilfe

«Bei uns sollen sich alle sicher fühlen», betont Robert Sans. Abgewiesen wird nur, wer über 23 Jahre alt ist oder sich nicht an die Hausregeln hält. Wer sich bei Pluto meldet oder einfach abends an der Haustür klingelt, bekommt ein Bett, einen Schrank für seine persönlichen Sachen, ein Abendessen, Frühstück und bei Bedarf professionelle Unterstützung. Während der Betriebszeiten der Notschlafstelle sind ab 18 Uhr jeweils zwei Mitarbeitende des Teams im Haus und schlafen auch dort. Wenn sie überhaupt dazu kommen. «Letzte Nacht klingelte sehr spät noch jemand», berichtet Mina Ruoss, der die kurze Nacht anzusehen ist.

Es gibt aber auch ruhige Nächte auf dem Planeten Pluto. Der Name für die Notschlafstelle wurde gewählt, weil auch der echte Planet etwas verloren und einsam im All unterwegs ist. «Wir möchten erreichen, dass es den Jugendlichen, die Hilfe brauchen, nicht so ergeht», sagt Robert Sans.

www.pluto-bern.ch